Tyll – ein Stück voller Gefühle

Tyll – ein Stück voller Gefühle


Ein junger Mann, Mitte zwanzig, steht mitten auf der Bühne und schaut das Publikum an. Er sagt: „Werft eure Schuhe, na los, werft sie!“. Seine Freunde rufen dasselbe. Das verdutzte Publikum wirft seine Schuhe, nur um daraufhin gesagt zu bekommen: „Na los, holt sie euch wieder!“ und ausgelacht zu werden.

Das ist eine der packenden Szenen, die man beim Theaterstück „Tyll“ am eigenen Leib erfahren durfte. Es wurde vom 22. bis zum 24. September in der Aula aufgeführt.

      Tyll – das Theaterstück zum 2017 erschienenen Roman von Daniel Kehlmann:

„Tyll“ spielt in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, demnach auch an historischen Orten dieses Krieges, wie Westfalen, Magdeburg und Zusmarshausen. Die Hauptfigur Tyll Ulenspiegel gab es wirklich, nur wurde er früher geboren. Tyll ist ein Künstler, ein Narr. Er gehorcht niemandem und geht mit einer Leichtigkeit und dem Motto „Ich mach`s nicht!“ durchs Leben. Tyll spielt in großen Städten und Dörfern und zieht herum, weshalb er viele verschiedene, auch historische Gestalten kennenlernt: Nele, Kircher, Pirmin, einen Esel und andere. Der Krieg plagt die Menschen, sie leiden, sind traurig, müssen traumatische Erfahrungen verarbeiten und einfach klarkommen. Das Stück geht mit einer Massenprügelei los und die Szene endet in einem Massentod. Tyll ist viel Gewalt ausgesetzt und erlebt Ungeheures, da bleibt als einziger Weg, sich zu verändern, zu verwandeln. Dies geschieht in der Szene „Metamorphose", die von Tanz begleitet wird. Eine Szene wurde von der Gruppe erfunden: „Dinner“. In ihr redet Romanautor Kehlmann mit seinen Figuren, um sich über sich und die Welt klar zu werden.

Das Stück endet mit dem Satz: „Wir [seine Leute und er], wir gehen jetzt, wir machen`s nicht mehr!“

mithilfe des Programmheftes geschrieben

Die erste Szene begleitet von Tanz                                                             Bild von: David Oßwald 

Trauer um die Ermordeten                                                                           Bild von: David Oßwald 

Dem Publikum gefiel es:

Franka (10a) war begeistert davon, dass es oft „eine bestimmte Farbe gab und […] dass bestimmte Personen immer wieder angeleuchtet wurden und damit Akzente gesetzt wurden“. Außerdem fand sie das Bühnenbild toll. Ihre Lieblingsszene war die am Anfang, bei der das Publikum die Schuhe werfen sollte. Da stimmte Alexia (10a) zu, auch wenn sie sich im Nachhinein ein bisschen geärgert hat, dass sie ihren Schuh geworfen hatte. Das „Best-of“ von Simon (10a) war eine Szene im Krieg „mit dem König, der […] die Pest hatte“ und wie der Krieg dargestellt wurde. Außerdem fand er die Lichtgestaltung „sehr faszinierend“. Alle drei hielten das Stück und die Schauspielleistungen für sehr gut. Jedoch glauben sie, dass sie es ohne den Roman oder das Programmheft schwerer verstanden hätten und dass es etwas zu lang war. Die Lieblingsszenen einiger Mitwirkenden waren unter anderem Metamorphose und Dinner.

Dinner                                                                                                                Bild von: David Oßwald 

Metamorphose                                                                                                Bild von: David Oßwald 

Der König stirbt                                                                                               Bild von: David Oßwald 

Doch wie kam es dazu, dass eine Gruppe von vielen unterschiedlichen Menschen ein solches Stück aufführt? Für Frau Rau-Kieß und die Performance-Gruppe war es „relativ selbstverständlich“, dass sie den Roman „Tyll“ als Stückvorlage wahrnahmen, denn sie hatten schon vorher zu anderen Kehlmann-Romanen Stücke entwickelt und aufgeführt. 2019 beschloss die Gruppe dann, Kehlmanns Werk zu besprechen. Das Stück sollte im Schuljahr 2019/20 aufgeführt werden, aber mitten in den Vorbereitungen machte Corona ihnen einen Strich durch die Rechnung. Denn der Wahlkurs durfte nicht mehr stattfinden.

Zunächst wurden die Gespräche „mehr oder weniger unterbrochen“, so die Wahlkursleiter. Frau Rau-Kieß, die für das Organisieren der Akrobatik- und Tanzgruppen, fürs Impulsegeben, Planen und Vieles mehr zuständig war, und Herr Herrmann, der sich selbst als „Mädchen für alles hinter den Kulissen“ bezeichnet, beschlossen dann, „etwas außerhalb der Schule, etwas Gemeinschaftliches

anzufangen“. Sie wollten mit den jungen Leuten in Kontakt bleiben, da dies in der Corona-Zeit „wichtiger denn je“ gewesen sei. So luden sie HLG-Schüler*innen, aber auch einige Abiturient*innen ein, das Projekt fortzuführen.

Dabei ging es um das Miteinander: Jede*r bringt etwas ein, wie zum Beispiel Jonglier-Talent oder eine Musikbegabung - keine*r sollte die Leitung übernehmen. Über Zoom-Videochats und Treffen nachmittags in der Aula oder in Lokalen nahm das Stück dann langsam Gestalt an. Denn das gesamte Stück wurde, auf dem Roman basierend, selbst geschrieben – durch mehrere Mitglieder einer Schreibgruppe. Laut Nicholas (Q12), der in der Schreibgruppe war und Regie geführt hat, war das Online-Schreiben via Zoom „eine der großen Herausforderungen“, die die Autor*innen aber „ziemlich gut gemeistert haben“, und es habe die Gruppe „ziemlich zusammengeschweißt“. 2021 war das Skript dann fertig.  

Im Herbst desselben Jahres sollte „Tyll“ eigentlich auch aufgeführt werden, jedoch hatten sich in erster Linie wegen Corona alle Planungen nach hinten verschoben. Die Gruppe wollte aber „etwas“ machen, so kam es dann zu einem „Tyll“-Spiel. Wer daran teilnahm, wurde zu verschiedenen Stationen, verteilt in Fürth, geschickt und musste etwas aufmalen, eine traurige Königin zum Lachen bringen oder erklären, was ein Haufen war. Am Ende konnte man drei Karten für die spätere Aufführung des „Tyll“-Stücks gewinnen. Nicholas, der bei dieser Stadtrallye Daniel Kehlmann verkörperte, fand es „ziemlich toll, sich in den öffentlichen Raum zu stellen und mit Leuten zu interagieren“, aber auch „den Mut und das Selbstbewusstsein zu haben, das zu machen“.

Lenny (ehemaliger HLG-Schüler), der die Hauptfigur Tyll darstellte, wollte ursprünglich „eine kleine Rolle spielen“. Durch die Frage, ob er die Rolle Tyll gerne verkörpern würde, kam er dazu, es zu „probieren“. Sein Vorteil war, dass er schon jonglieren konnte, und in den Proben stellte sich heraus, dass die Rolle ihm gefiel und auch zu ihm passte. Regisseur Nicholas sagte über die „Top-Besetzung“, dass die Schauspieler*innen ihre Rollen „so mit Leben gefüllt haben“ und Lenny speziell „absolut genial“ war.

Tyll tut das, was er gut kann - jonglieren                                                 Bild von: David Oßwald 

Wie schaffen Schauspieler*innen es, so gut zu spielen, fragt man sich da? Um sich auf die Rolle vorzubereiten, habe Lenny das Skript oft durchgelesen, seine Rolle viel gespielt, weil er auch in den Probenpausen Tyll geblieben sei, und einfach weiter probiert. Der größte Teil der Vorbereitung sei aber „das intensive Lernen des Textes vor der Probenwoche und die Probenwoche selbst“ gewesen. Das Schwierigste für ihn sei das „Aus-sich-selbst-Herauskommen“ gewesen, um „auf der Bühne alles ablegen zu können“ und nur „die Figur zu sein“.

Bianca (ehemalige HLG-Schülerin), die viel zum Planen und Verfassen des Stücks beigetragen hat, faszinierte, dass die Schauspieler*innen immer mehr zu ihren Rollen wurden und die Rollen selber dann den darstellenden Personen immer mehr glichen.

Herr Herrmann fand es „toll“, wie die Tanzszenen in die Handlung integriert wurden und, „wie hoch das Niveau war, das alle gehen konnten. Er lobte zudem die Licht-und-Ton-Gruppe, die „unfassbar gut“ gewesen sei und „kaum Fehler“ gemacht habe, obwohl sie noch nie für ein so großes Theaterstück gearbeitet hätte.

Tanz in einem anderen Jahrhundert                                                          Bild von: David Oßwald 

Die LiTo in ihrem Element               Bild von: David Oßwald 

Die LiTo in ihrem Element               Bild von: David Oßwald 

Die LiTo in ihrem Element               Bild von: David Oßwald 

Weitere Projekte der Performance-Gruppe sind laut Frau Rau-Kieß in Überlegung.

Denn nach diesem Erfolg wollen sich die Mitwirkenden nicht wie Tyll von der Bühne verabschieden.

Tyll geht mit seinen Leuten von der Bühne                                             Bild von: David Oßwald 

Alle Mitwirkenden verbeugen sich vor dem applaudierenden Publikum                                       Bild von: David Oßwald 

-Bağdagül Taşdemir


Vielen Dank an David Oßwald für die tollen Bilder! 

 Zur Website geht es hier: https://www.f-f-tyll.com/