Bühnengedanken
... Es ist stockdunkel, nur ein kleiner roter Lichtstrahl schimmert unter dem schweren Vorhang hervor. Es sieht aus wie ein langer Schatten eines Delphins, und ich denke, das muss ich einmal malen. Die Stimme des Moderators ertönt und ich kann die vielen Menschen hinter dem schwarzen Stoff förmlich spüren. Mein Herz schlägt pochend bis zur Kehle hinauf.
"Ich kann das, habe es schon so oft getan", sage ich mir in meinen Gedanken. Tief ein- und ausatmen. Kurzes Warmklopfen des Körpers. Wach auf, werde fit! Das Outfit sitzt? Nocheinmal daran gezogen. Ok, es kann losgehen.
Die Musik beginnt und beruhigt mich. Ich fühle meine innere Größe, dehne mich aus und sende strahlend meine Energie.
Jetzt gibt es kein Denken mehr, mein Körper weiß genau, was zu tun ist. Alles läuft wie von selbst. Mit vollem Elan betrete ich die Bühne. Meine Stimme hallt durch das Mikrofon vom Saal zurück als würde sie nicht mir gehören. Doch sie tut es. Es ist meine mir eigene Stimme, die erklingt. Das grelle Licht des Scheinwerfers vernebelt mir die Sicht auf das Publikum. Doch ich weiß auch so, ihre Blicke fallen auf mich, und ein kurzer Anflug von Kniezittern setzt ein. Ist das Lampenfieber? Ein bisschen - wie schön - ich atme und vertraue mir und meinem Können und fliege über den weiten Raum, Bühne genannt.
Mein Körper und Geist in völliger Kontrolle. Ich liebe es. Diese Momente voller Präsenz sind so machtvoll und wunderschön! Wie Farbenspiele auf dem Wasser, so klar und tief und unendlich.
Dann, der Schauspielteil, die Menschen lachen und fühlen sich offensichtlich wohl. Sie wollen bewundern, sie wollen entzücken, sie wollen berührt und geführt werden. Wunderbar. Ich kann es ihnen geben.
Schlusspose - Tataa! Mit dem letzten Tusch perfekt abgestimmt.
Der Applaus schwappt freudig über mich. Ich gehe von der Fläche ab.
Erfüllt, dankbar und tief beseelt von diesem Erlebnis, das ich meinen Beruf nennen darf.