Welchen Einfluss haben Kleinflugzeuge auf den persönlichen und gesamtgesellschaftlichen CO2-Fussabdruck sowie auf die Umwelt im Allgemeinen?
Der folgende Text ist ein Versuch, sich dieser Frage möglichst sachlich zu nähern - insbesondere auch im Hinblick auf die manchmal verkürzten, stigmatisierenden Beschreibungen der Allgemeinen Luftfahrt in den Medien („Superreiche, die mit ihrem Privat-Jet nach Sylt fliegen“).
Wichtig ist bei einer solchen Betrachtung eine Trennung zwischen dem „per capita“-Effekt (was ist mein Fußabdruck, welchen Einfluss haben meine Aktivitäten) und der gesamtgesellschaftlichen oder nationalen Frage, welche Aktivitäten/Bereiche haben in der Referenzgruppe (etwa: Weltbevölkerung, Deutschland) welchen Einfluss.
Leider geraten diese beiden Perspektiven in der emotional geführten Debatte zu Klimawandel und Nachhaltigkeit oft durcheinander. Es werden anstelle von sachlichen Argumenten „willkürliche“ Referenzgruppen bemüht, um das eigene Handeln zu relativieren: „Deutschland hat nur einen Anteil von weniger als 2% an den weltweiten Emissionen. Schauen wir lieber nach China… Es ist völlig egal, was ich hier in Deutschland tue!“ - Die Willkür zeigt sich, wenn man die Referenzgruppe ändert. Einerseits lässt sich das Argument bis ins Lächerliche überspitzen, wenn man die Referenzgruppe verkleinert: „Schleswig-Holstein hat nur einen Anteil von ca. 0,06% an den weltweiten Emissionen!“, „Der Stadtteil Lübeck-Buntekuh hat nur einen Anteil von...". So findet man also immer eine Gruppe, die klein genug ist, das eigene Handeln zu rechtfertigen.
Andererseits lässt sich das Argument ad absurdum führen, wenn man die Referenzgruppe vergrößert: Europa hat immerhin einen Anteil von ca. 9,5% und die 10 Länder mit den höchsten Emmissionen (inklusive Deutschland) haben einen Anteil von ca. 68% an den weltweiten Emissionen.
Daher bietet es sich an, diese beiden Perspektiven – die individuelle und die gesellschaftliche - im Folgenden separat zu betrachten.
Zunächst also die individuelle Betrachtung: Wir vergleichen den CO2-Fussabdruck bei ähnlichen Reisen mit dem PKW, einem einmotorigen Kolbenflugzeug, einem Business Jet sowie einem Passagierflugzeug. Für den PkW sowie das Kolbenflugzeug verwende ich dazu Referenzverbrauchswerte aus meiner eigenen, tatsächlichen Situation. Selbstverständlich schwanken die folgenden Analysen mit unterschiedlichen Verbrauchswerten. Bei allen Verkehrsmitteln ist durch die Fahrweise respektive Triebwerkseinstellungen ein geringerer oder höherer Verbrauch realisierbar. Weiterhin gibt es sowohl PkW- als auch Flugzeuge innerhalb der gleichen Kategorie mit jeweils geringerem und höherem Verbrauch. Zu einer umfassenden Betrachtung gehört auch die Feststellung, dass aufgrund der recht alten Kleinflugzeugflotte sicher mehr Kleinflugzeuge mit einem etwas höheren Verbrauch herumfliegen. Allerdings weisen diese Flugzeuge auch eine deutlich längere Betriebszeit auf als der durchschnittliche PkW und die Produktionsemissionen lassen sich so auf mehr Jahre verteilen.
Wir nehmen für den PkW einen Verbrauch von 10 Litern Super-Benzin (98 roz) pro 100 km sowie für das Kolbenflugzeug einen Verbrauch von 35 Litern Flugbenzin (AVGAS 100 LL) pro Stunde an. Für den Business Jet vom Typ Learjet 70 gehen wir von 554 Liter und für das Passagierflugzeug vom Typ Airbus A320 von 3750 Liter JET A1 pro Stunde aus.
Als Menge an ausgestoßenem CO2 nehmen wir der Einfachheithalber bei allen Kraftstoffen näherungsweise den Wert von 2.3 kg / Liter an.
Zusätzlich zum CO2-Fussabdruck durch die direkte Nutzung muss mindestens auch der Fußabdruck durch die Produktion mit einbezogen werden (wir kennen das vom Vergleich von PkW mit Verbrenner- und Elektromotoren und der umweltbelastenden Produktion der Lithium-Batterien). Dazu folgende Annahmen:
PkW: 8 Tonnen CO2
Einmotoriges Kolbenflugzeug: 12 Tonnen CO2
Jet: 300 Tonnen CO2
Passagierflugzeug: 2350 Tonnen CO2
Den einmaligen Fußabdruck für die Produktion rechnen wir mittels der typischen Betriebsdauer auf die Einzelreise um und nehme dabei eine CO2-Menge und eine Betriebsdauer wie folgt an:
PkW: 8 Tonnen CO2 und 18 Jahre mit 12.000 km/Jahr
Einmotoriges Kolbenflugzeug: 12 Tonnen CO2 und 40 Jahre mit 100 Stunden/Jahr
Jet: 300 Tonnen CO2 und 25 Jahre mit 480 Stunden/Jahr
Passagierflugzeug: 1350 Tonnen CO2 und 22 Jahre mit 2150 Stunden/Jahr
Aus den oben geschilderten Annahmen ergibt sich ein Verbrauch in Litern pro 100km sowie eine äquivalente CO2-Emmission von:
Man sieht, dass hier PkW und Kleinflugzeug recht nah beisammen liegen, der Business Jet und das Passagierflugzeug aber stark abweichen. Rechnet man die Werte auf die Personen bei angenommener Vollbelegung der Sitzplätze um, ist auch das Passagierflugzeug im Bezug auf den Verbrauch im Grunde vergleichbar mit PkW und Kleinflugzeug. Eine deutliche Abweichung bleibt beim Business Jet. Durch die nachteiligen Effekte bei einem CO2-Ausstoß in sehr hohen Flughöhen beim Business Jet und beim Passagierflugzeug ist allerdings die äquivalente CO2-Emmission hier auch pro Person deutlich höher als bei Kleinflugzeugen, die in niedrigeren Flughöhen verkehren sowie PkW:
Bei vielen Strecken weichen die gefahrenen Kilometer von geflogenen Kilometern allerdings ab. Deutlich ist dieser Effekt zu beobachten, wenn größere Gewässer oder Gebirge auf dem Weg liegen. Nehmen wir die Strecke München-Mailand. Auf dem Landweg beträgt die Strecke 550 km, per Luftlinie lediglich 369 km:
Wir sehen, dass bei so einer realen Strecke tatsächlich das Kleinflugzeug selbst im Vergleich zum PkW, der sich durch Berge und Täler schlängeln muss, am besten abschneidet.
Ich möchte damit nicht zeigen, dass Kleinflugzeuge im Vergleich zu PkW die umweltfreundlicheren Fortbewegungsmittel sind. Wenn man nur minimal die Parameter (Verbrauch, Geschwindigkeit, etc.) verändert, können sich leicht andere Zahlen ergeben.
Aber die Beispielrechnung zeigt eines sehr deutlich: PkW, Kleinflugzeug und auch Passagierflugzeuge bewegen sich in einem ähnlichen Rahmen. Einziger wirklicher Abweichler – und damit auch Umweltsünder – sind Business Jets selbst bei Vollauslastung. Wer also als einziger Passagier oder in kleinen Gruppen im Privatjet reist, muss sich möglicherweise Kritik an dieser Praxis durchaus gefallen lassen.
Um die individuelle Betrachtung abzuschließen, noch einige Zahlen zum Jahresdurchschnitt. Auf Basis der oben aufgeführten Berechnungen und Annahmen führt der Betrieb eines PkW bei typischer Nutzung zu jährlichen CO2-Emmissionen von 3,2 Tonnen, der Betrieb eines Kleinflugzeugs zu 4,3 Tonnen. Die Haltung eines Hundes führt zu 1 Tonne, die Haltung eines Pferdes zu 5,9 Tonnen zusätzlichen CO2-Emmissionen pro Jahr.
Im letzten Kapitel haben wir uns der Frage gewidmet, wie der persönliche Beitrag zur CO2-Emmissionsbilanz bei der Nutzung eines Flugzeugs im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln und Aktivitäten aussieht. Wir haben festgestellt, dass der Betrieb eines Kleinflugzeugs in der persönlichen CO2-Bilanz vergleichbar ist mit dem Betrieb eines PkW.
Betrachtet man das Thema CO2-Emmissionen aus einer eher politischen bzw. gesellschaftlichen Brille, so stellt sich eher die Frage:
Welchen Anteil der Gesamtemissionen macht eine bestimmte Aktivität in der Masse, eine bestimmte Gruppe, ein bestimmter Industriesektor etc aus?
Und die Folgefrage: In welchen Bereichen lohnt es sich, gesellschaftlich aktiv zu werden? Hier sei einmal politisch neutral dahingestellt, was “aktiv” bedeutet. Das mag je nach politischer Coleur eher das Verbot einer bestimmten Aktivität sein oder die Förderung z.B. alternativer Technologien in diesem Umfeld.
Für unsere 4 verglichenen Verkehrsmittel und im Vergleich z.B. zur Bauindustrie sieht diese Betrachtung ungefähr so aus:
Hier zeigt sich, dass sowohl die Luftfahrt ingesamt im Vergleich zum Straßenverkehr und der Bauindustrie mit ca 2-3% einen vergleichsweise geringen Anteil an den Gesamtemissionen in Deutschland hat.
Weiterhin zeigt sich auch, dass aufgrund der sehr kleinen Flotte an Kleinflugzeugen der Anteil jener an den Gesamtemissionen geradezu verschwindend gering ist.
Das ist ein wichtiger Punkt: Den meisten Betreibern von Kleinflugzeugen ist die oftmals veraltete Motorentechnik und die damit einhergehenden höheren Verbräuche ein Dorn im Auge. Es lohnt sich aber auf Basis der hier offensichtlichen Zahlen weder für die Hersteller noch für den Gesetzgeber in diesem Umfeld für mehr Innovationskraft und zum Beispiel effizientere Antriebe zu sorgen. Jeder noch so kleine Effizienzgewinn in der PkW-Flotte hat einen deutlich größeren gesamtgesellschaftlichen Wirkungsgrad.
Ähnlich stellt es sich bei der Bleihaltigkeit von Flugbenzin (nicht: Kerosin) dar – ein weiteres Dorn im Auge der meisten Flugzeugbetreiber. In allen anderen Kraftstoffen wurde über die letzten Jahrzehnte die Beimischung von Blei per Gesetzgebung unterbunden. Für Flugbenzin steht dieser Schritt erst in den kommenden Jahren an. Allerdings ist die Nutzmenge so gering, dass eben die Priorität auf allen anderen Kraftstoffarten gelegen hat.
Ein letzter Gedanke zur im Land benötigten Infrastruktur für den Betrieb verschiedener Verkehrsmittel: Hier schneiden PkW und auch die Bahn eigentlich ziemlich schlecht ab, weil für die Straßen- bzw. Schienennetze erhebliche Teile der Landschaft in Mitleidenschaft gezogen werden müssen. Kein Vergleich dazu stellen die geringen Flächen dar, die für Flugbetrieb (nämlich Landeplätze und Flughäfen) benötigt werden. Zusätzlich stellen Flugplatzgelände oft aus Naturschutzperspektive positiv zu bewertende Biotope dar, die seltenen Tierarten ein Zuhause bieten können und eine Frischluftschneise in ansonsten dicht bebauten, urbanen Gebieten sind.
Wir haben gesehen, dass der Betrieb von PkW und Kleinflugzeug – und auch weniger kritisch beäugte Aktivitäten wie z.B. die Tierhaltung - im Kontext der Umweltbelastungen durchaus vergleichbar sind.
Wir sollten als Gesellschaft davon Abstand nehmen, die Herausforderungen des Klimawandels mit gegenseitigem Fingerpointing lösen zu wollen. In einer Gesellschaft, in der jeder sein persönliches Verhalten “gerade noch okay” findet und mit dem Finger auf alle zeigt, die einen etwas größeren Fußabdruck hinterlassen, werden wir außer Missgunst nicht viel erreichen. Das Leben sollte lebenswert sein – und dennoch kann und sollte jeder für sich selbst überlegen, wo und wie Einsparungen ohne (subjektiv!) überhöhte Entbehrungen möglich sind.
Gesamtgesellschaftlich sollte jeder Bereich angehalten werden, innovative Lösungen zu fördern und zu finden. Der Fokus hierbei sollte aber in der Förderung bei den anteilig starken Verbrauchsgruppen zuerst liegen und nicht auf den “medienwirksamsten”.