2022 - 100.000 Schritte (70 km)

07.10.2022 Die meisten haben überhaupt keine Vorstellung davon was es bedeutet 100.000 Schritte zu gehen. An einem Tag, an einem Stück. Es gibt genügend Videos auf YouTube wo die Kandidaten ziemlich siegessicher starten, dann aber irgendwann feststellen, dass sie das Ganze grandios unterschätzt haben und am Ende mit blutigen Füßen voller Blasen ihr Scheitern eingestehen müssen. Wir reden hier ja auch immerhin über eine Distanz von ca. 70 km, für die man bei normalem Tempo ohne Pausen um die 15 Stunden benötigt.

Wie kommt man überhaupt auf so eine Idee? Wer macht so was? Nun ja, in meinem Fall ist es im Gegensatz zu besagten YouTubern keine spontane Idee gewesen und im Gegensatz zu denen war ich auch nicht ganz so unvorbereitet. Nachdem ich im vergangenen Jahr das Wandern für mich entdeckt und in diesem Jahr die richtigen Schuhe dazu gefunden hatte, resultierte daraus irgendwann fast zwangsläufig der Wunsch auch weitere Strecken zu bewältigen.

Die erste größere Distanz war ein Fußmarsch von Bergheim nach Düren, was ca. 23 km und knapp fünf Stunden entsprach. Dann fiel die 30km-Marke und im Juni 2022 schließlich die Marathon-Distanz von 42 km, als ich in acht Stunden von Bergheim nach Nideggen gegangen bin. Das waren schon 58.000 Schritte, aber mir ging es noch erstaunlich gut und so dachte ich: da geht noch mehr.

Mit einem Marsch nach Düsseldorf schaffte ich in neun Stunden 45 km und 60.000 Schritte. Ich war mir da allerdings noch so nicht sicher, ob es auch für 100.000 Schritte reichen würde. Wenn man neun Stunden gegangen ist, fällt es einem schwer sich vorzustellen, dass man jetzt noch weitere sechs Stunden unterwegs sein soll. Somit war klar, dass alles ab 60.000 Schritten aufwärts spannend werden würde.

Da ich aber seit Jahresbeginn im Schnitt jeden Tag ca. 15.000 Schritte (ca. 10 km) gehe, haben sich meine Füße und Gelenke inzwischen an diese Belastung gewöhnt. Zwischendurch mal zu Fuß nach Köln ist keine große Sache mehr. Es war klar, dass es hart werden würde, aber ich war auch optimistisch, dass ich es schaffen könnte. Und so ging es am 07.10.2022 um Punkt 5 Uhr morgens los von Bergheim Richtung Bad Neuenahr.

Ein so früher Start war notwendig, da ich lieber auf bekanntem Terrain durch die Dunkelheit gehen wollte als auf unbekanntem. Bis zum Sonnenaufgang hatte ich also schon die ersten 15.000 Schritte und ein Frühstück an der ARAL in Kerpen-Sindorf hinter mir. Gegen 12:30 Uhr hatte ich die 50.000 Schritte (35 km) geschafft und war guter Dinge: es tat nichts weh, keine Blasen, keine größere Erschöpfung und die eingeplante Mittagspause mit einer leckeren Pizza vor Augen ging es in die zweite Hälfte auf dem Weg zu 100.000 Schritten.

Nach etwas über 42 Kilometern war ich nach neun Stunden bei 60.000 Schritten angelangt. Das war ein spannender Punkt, denn jeden Schritt mehr an einem Tag machte ich nun zum allerersten Mal in meinem Leben. Die Marke von 70.000 Schritten war nach knapp 50 km erreicht und zu diesem Zeitpunkt konnte ich nachvollziehen warum Untrainierte spätestens hier ernsthafte Probleme bekommen. Wenn man über zehn Stunden am Stück geht, dann geht das auf die Knochen. Zum Glück war ich ja etwas trainiert, mein linkes Knie mopperte ein wenig, aber ansonsten ging es ohne größere Probleme noch gut voran.

Ein kleines Tief hatte ich dann bei 80.000 Schritten (56 km, 12 Stunden), wo ich eine kleine Pause einlegen musste. Das linke Knie meldete sich immer mehr und da ich eine ganze Weile an einer recht stark befahrenen Strasse entlang gehen und Abgase einatmen musste, war mir kurzzeitig etwas blümerant zumute. Das legte sich jedoch nach einigen Minuten und dann standen die letzten 20.000 Schritte an, die mit Sicherheit die schwersten werden würden.

Nachdem ich danach auf einsamen Landstraßen in den Sonnenuntergang ging, wurde das Knie zwar nicht besser, aber die Stimmung. Die Motivation und der Glaube daran, es tatsächlich zu schaffen wurden immer größer, je näher ich dem Ziel kam. Abends gegen 19 Uhr fiel nach 63 km die 90.000 Schritte-Marke und spätestens da wusste ich: das ziehe ich jetzt durch. So kurz vor dem Ziel ist es einfach zu spät zum Aufgeben, auch wenn mein Knie anderer Meinung war.

Die letzten drei Kilometer ging es dann wieder durch die Dunkelheit, bevor ich um 20:23 die Marke von 100.000 Schritten nach exakt 70 km und 15:10 Stunden Gehzeit ziemlich genau vor der Tür des Bad Neuenahrer Brauhauses geknackt habe, wo ich mir ein wohlverdientes Feierabendbier (ok, es waren vier) und eine deftige Mahlzeit gegönnt habe. Insgesamt hatte ich nach dem Heimweg vom Brauhaus zur Unterkunft am Ende des Tages 102.819 Schritte absolviert und 5952 kcal verbrannt.

Am nächsten Tag fiel mir das Laufen aufgrund der Schmerzen im linken Knie noch etwas schwer, doch schon am übernächsten Tag war wieder alles ok. Eine kleinere Blase an der Ferse hatte ich mit einem Blasenpflaster versorgt, auch das war kein Problem.

Fazit: 100.000 Schritte sind machbar, allerdings sollte man sich vorbereiten. Wie gesagt: ich gehe seit zehn Monaten im Schnitt rund zehn Kilometer pro Tag. Untrainiert muss man sich nicht wundern, wenn man am Ende des Tages blutige Füße voller Blasen hat.