Simon Wagner

»Begriffslose Synthesis«: Das Verhältnis von Musik, Sprache und Dichtung bei Adorno und in Werken der zeitgenössischen Neuen Musik

In seinem 1964 veröffentlichten Parataxis-Aufsatz beschreibt Adorno parataktische Konstruktionen in den späten Gedichten Friedrich Hölderlins. Diese seien eine Reaktion auf die Problematik, dass Subjektivität sich über die begriffliche Sprache nicht ausdrücken lässt, eine Sprache ohne Begriffe jedoch nicht möglich ist. Hölderlin nutze Parataxen, um den Zwang der Begriffslogik zu unterlaufen, und vermittle Subjektivität nicht im Inhalt, sondern durch die Form. Das »Urbild« jenes Auflehnens gegen die synthetisierende Sprache sei die Musik, da diese von sich aus Synthesis ohne Begriffe leisten könne. Doch auch musikalische Werke können Adorno zufolge begriffsähnliche Konventionen hervorbringen. Um das Musikhafte an Hölderlins Spätstil zu verdeutlichen, parallelisiert er diesen daher mit Kompositionstechniken aus dem Spätwerk Beethovens, die sich gegen solche Formzwänge der Tonalität richten.

Im Anschluss an Adornos Überlegungen zum Verhältnis von Musik, Sprache und Dichtung beschäftigt sich der Vortrag mit der Frage, wie Werke der zeitgenössischen Neuen Musik mit der Problematik begrifflicher Sprache und Sprachähnlichkeit der Musik umgehen. Außerdem soll auf Parallelen zwischen Begriffsähnlichkeit in der tonalen Musik und Bildhaftigkeit durch die Verwendung von aufgenommenem Material in der Neuen Musik eingegangen werden. Dazu werden einerseits kompositorische Auseinandersetzungen mit Hölderlins späten Gedichten, andererseits Formprobleme der elektroakustischen musique concrète und deren Lösungsansätze durch die Akusmatik untersucht.

So, 23.06., 9:30–10:15

Vierte Welt