Michael Hirsch

Utopien ästhetischer Erfahrung jenseits politisierter Kunst. Messianische Aufladungen interesselosen Wohlgefallens

Was ist eigentlich so problematisch an den Politisierungstendenzen innerhalb der Kunst? Politische, gesellschaftskritische und subversive Gesten haben sich im zeitgenössischen künstlerischen Feld heute normalisiert und sind vorhersehbar geworden. Der Vortrag deutet die Politisierung der Kunst und die Ästhetisierung der Politik als Symptom einer doppelten historischen Niederlage der Linken.

Die Kulturlinke tröstet sich mit kritischen Ornamenten über die politische Bilanz einer Epoche hinweg: Nicht nur haben sich die gesellschaftlichen Verhältnisse insgesamt von einmal erreichten Niveaus zurückentwickelt. Auch haben sich Arbeitsverhältnisse und Handlungspositionen der Akteur*innen im kulturellen Feld selbst verschlechtert.

Das Kritische, die politische Funktion von Kunstwerken, Kunstkritik, Kunst- und Kulturwissenschaft, fungiert mehr und mehr als ambivalente Kategorie der öffentlichen Rechtfertigung künstlerischer, journalistischer oder theoretischer Subjekte, deren Existenz am seidenen Faden der Zuschreibung einer gesellschaftlichen Funktion hängt.

Der Vortrag schlägt vor, sich der symbolischen Gewalt der Rechtfertigung zu entziehen, und demgegenüber die Souveränität und den Eigensinn des Subjekts, und die Autonomie von Kunst wie Theorie stark zu machen. Damit ist nicht nur die ethische Hypothese einer Aktualisierung des utopischen Potentials ästhetischer Erfahrung verbunden. Sondern auch die politische Hypothese einer Erneuerung und Präzisierung dessen, was Habermas 1969 in Protestbewegung und Hochschulreform »Einübung in eine kritische Berufspraxis» nannte.

Sa, 22.06., 20:00–21:30

KINDL – Zentrum für zeitgenössische Kunst, »Café Babette« im Sudhaus