Studie 2005
Der Entwurf des Wohnhauses entstand im Rahmen der empirischen Studie "Architektur & Lebensstil" als Projekt an der Universität Kassel. Das Haus ist für den 23-jährigen Musikstudenten Philipp geplant. Er gehört dem empirisch ermittelten Cluster der Aufgeschlossenen Realisten an und ist etwas jünger als der Durchschnitt dieses Clusters. Wichtige Werte in Philipps Leben sind Solidarität mit seinen Mitmenschen, ein Höchstmaß an Autonomie und Selbstbestimmung, ein Leben in Sicherheit und Geborgenheit, Selbsterfahrung und persönliche Weiterentwicklung sowie der Schutz von Umwelt und Natur. Dies entspricht dem Durchschnitt seines Clusters. In seiner Freizeit macht Philipp Musik, liest, entspannt und trifft sich mit Freunden. Er sagt, dass neben der Musik das "Offenhalten von Wegen" und "die kleinen, besonderen Dinge" in seinem Leben besonders wichtig sind. Er sammelt auch viele Dinge und gibt zu, ein eher verträumter Mensch zu sein. In seiner Zukunft möchte er als Musiklehrer arbeiten, und zwar in seinem eigenen Haus. Persönlich interessiert er sich sehr für Architektur und ist der Meinung, dass sich Architektur durchaus an klassischen Vorbildern orientieren kann. Außerdem findet er, dass sich historische und zeitgenössische Architektur oft sehr gut ergänzen. Philipp gab in der Umfrage an, dass sein Haus in der Nähe des Zentrums einer mittelgroßen Stadt liegen soll. Die Umgebung sollte Grünflächen, soziale Kontakte und ein reichhaltiges Freizeit- und Kulturangebot bieten. Da er gerne beobachtet, möchte er auch etwas zu sehen haben.
Aus neun vorgeschlagenen Bauplätzen im urbanen Umfeld der Kassel Innenstadt, hat sich Phillip für das Grundstück der ehemaligen Unterneustädter Mühle im historischen Herzen Kassels entschieden. Die am rechten Fuldaufer gelegene Mühle von 1538 wurde 1912 bei der Fuldaregulierung zerstört. Ihr trapezoider Grundriss ist noch erkennbar und die Grundmauern zum Teil noch erhalten. Von zwei rundbogigen Toren auf der Ostseite ist das südliche noch vorhanden. Auf dessen Torscheitel eingemeißelt ist ein Spruchband mit der Jahreszahl 1538 und der Wasserstandsmarke „1643 WASSERFLUT DEN 6 IAN". Die Ruine ist aus kulturwissenschaftlichen Gründen ein Denkmal. Vom dem an der Fulda gelegenen Grundstück aus hat man eine sehr gute Sicht auf die an der anderen Flussseite verlaufende, von Kassels Bürgern gern als Spazierweg genutzte „Schlagd", sowie die teilweise brachliegende historische Bausubstanz zwischen Weserstrasse und Fulda. Die Umgebungsbebauung des Grundstücks in der Mühlengasse besitzt ein Flachdach oder flache Pultdächer und ist mit farbigen Putz versehen. Entlang der Mühlengasse stehen hohe Ahornbäume. Am Grundstück vorbei führt der hessische Radwanderweg R1. Philipp möchte sein Haus möglichst nahe am Wasser, auf dem Teil des Grundstücks wo die Mühlenruine steht. Philipp wünscht lichtdurchflutete Räume auf mehreren Ebenen, welche wechselnden Bedürfnissen anpassbar sind. Doppel- oder Mehrfachnutzungen von Räumen sind erwünscht und Nischen, unter anderem zum spontanem Verweilen, sind ihm sehr wichtig. Im Entwurf war mir der Bezug der neuen Wohnräume zum historisch aufgeladenen Bauort von grundlegender Bedeutung. Die Mühlenruine soll nicht nur Grundstücksgrenze sein, sondern Nische in der der Neubau seinen Platz findet.
Grundstück: Gelände einer mittelalterlichen Mühlenruine in der Kasselaner Unterneustadt am Ufer der Fulda
Konzept: Stadtnischen, Gebäude als ein Klangkörper, Wohnen im Proberaum
Raumprogramm: ein großzügiges Musikzimmer (für privates und geschäftliches Musizieren), eine offene Wohnküche mit Kamin, ein großer Entspannungs- und Schlafraum, ein komfortables privates Badezimmer mit Aussicht aus der Badewanne, eine Mediathek, ein Gästezimmer mit separatem WC, eine große Terrasse sowie ein privater Garten mit direktem Zugang zum Fluss.
Materialien: Sichtbeton mit Kerndämmung, Glas, feuerverzinkte Stahlprofile, Eichenholzdielen und Natursteinfliesen
Grundrisse OG und EG
Modell