Homöopathie und Kindergesundheit
Zum letzten Vortrag des Jahres 2024 hatte wir den Bayreuther Internisten und klassischen Homöopathen, Dr. med. Ansgar Schimmöller, eingeladen. Er sprach zum Thema „Homöopathie in der kinderärztlichen Praxis – unverzichtbar?!“.
Er wollte mit den doppelten Satzzeichen die Zuhörer zum Nachdenken und einer Entscheidung anregen, stellte aber an den Beginn seines Vortrags zunächst Fakten, indem er die Homöopathie als eine Therapie charakterisierte, die im Falle von Erkrankungen die körpereigene Selbstregulation stimuliert, und zwar mit Hilfe bestimmter Arzneien.
Darauf folgten aktuelle, leider deprimierende Daten zum Stand der Kindergesundheit in unserem Land, was die Ernährung, Sprachentwicklung und Mediennutzung betrifft. Auf die Frage, was angesichts dieser Tatsachen zu tun ist, gab Dr. Schimmöller eine klare Antwort: erstens die Lebenshygiene verbessern, d. h. angemessene emotionale Zuwendung, gesunde Ernährung, ausreichend Bewegung und Förderung des Erwerbs von motorischen, geistigen, emotionalen und sozialen Fähigkeiten, andererseits, falls notwendig, Kinder homöopathisch behandeln und auf diese Weise z.B. den Schlafrhythmus, die Wahrnehmung und die Motorik verbessern. Zu beachten ist dabei immer, die Resilienz zu stärken, d. h. die Fähigkeit, belastende Lebensumstände bzw. -veränderungen zu bewältigen.
Nach einem Überblick über typische und häufige Erkrankungen im Säuglings- und Kleinkindalter leitete Dr. Schimmöller zum Zentrum seines Vortrags, den Fallbeispielen aus seiner Praxis, über. Daraus seien vier exemplarisch dargestellt.
Fall 1: Mädchen, 2,5 Jahre, sie schläft nicht ein bzw. durch, die Schlafstörung begann mit 6 Mon., zeitgleich mit Essen und Mobilität; ab dem 12 Mon. war es jedes Mal ein Kampf, sie ins Bett zu bringen; das Einschlafen dauert 1-2h, sie ist unruhig, wälzt sich, beginnt zu kreischen und um sich zu schlagen. Seit 6 Mon. kreischt und weint sie in der Nacht, schlägt den Kopf gegen das Bett, morgens ist sie nicht erholt.
Weitere Symptome: Wutausbrüche mit Kreischen und Schreien, das ist extrem. Sie ist sehr sensibel, sobald man laut spricht oder ruft, denkt sie gleich, sie habe was falsch gemacht. Oft ist sie in sich gekehrt, melancholisch und nachdenklich, zu erwachsen. Introvertiert und schüchtern, braucht lange bei anderen Menschen, unsicher in neuer Umgebung. Als Baby hat sie ganz viel geweint, wenn in der Babygruppe, waren das viel zu viele Eindrücke für sie. Wenn es zu laut ist, will sie nur zur Mama.
Therapie: Ambra C 200; nach wenigen Tagen funktioniert das Einschlafen, sie liegt 20 Min. im Bett, das nächtliche Schreien hört auf. Nach 4 Wochen berichtet die Mutter, das Einschlafen klappt problemlos, nicht mehr angespannt, man kann einfach aus dem Zimmer gehen, nach 15 Min. schläft sie. Auch die Empfindlichkeit ist besser, sie bezieht nicht mehr alles auf sich. Auch ist sie viel offener geworden mit anderen Menschen, geht beim Einkaufen und beim Arzt von der Mutter weg und erkundet richtig die Umgebung. Der Stuhlgang ist komplett in Ordnung, lässt sich auch von Vater und Großeltern problemlos wickeln. Nach 7 Wochen komplette Normalisierung, es gibt keinen weiteren Therapiebedarf.
Die wesentliche Ursache der Schlafstörung war in diesem Fall die Schüchternheit des Mädchens. Jeder soziale Kontakt führt zu einer akuten Stressreaktion, die aufgrund der Ausprägung der Schüchternheit zu einem permanent anhaltenden erhöhten Stresslevel führt, der auch am Abend im Bett nicht abklingt. In der Heilungsphase musste somit die zunehmende Offenheit und Selbstsicherheit des Kindes parallel zur Behebung der Schlafstörung verlaufen.
Fall 2: Mädchen, 3 Jahre, sie hat schon immer schnell und hoch gefiebert. Vor 2 Wochen schon der 7. Fieberschub, sie mussten schon zum 5. Mal ins KH. Sie bekommt abends 38° Fieber, schon 2-3h später ist sie über 40 Grad, dann Schüttelfrost und Erbrechen, schlapp und schläfrig. Letzten Sept. hat sie 10 Tage am Stück hoch gefiebert, mal mit Husten, mal Adenovirus nachgewiesen, Zusammenhang nicht klar. Man bekommt das Fieber nicht gesenkt, sie geben alle 4-6h Fiebersenker. Sie fiebert immer schon 2 Tage, dann erst geht Husten und Schnupfen los. Letzten 6 Mon. immer wieder diffuse Gliederschmerzen, ab Januar alle 2 Tage, auch im Fieber öfter Gliederschmerzen. Seit dieser Zeit auch häufige Bauchschmerzen nach Essen.
Therapie: Sulfur C 200; nach 6 Wochen Bericht der Mutter: sie hat zwar immer wieder leichten Schnupfen (was als Aktivierung der Schleimhautbarriere des Immunsystems zu deuten ist), aber sonst ging es ihr gut. Nach 3 bzw. 4 Monaten noch hochfieberhafter Infekt, aber unter homöopathischer Akuttherapie rasch abklingend, seitdem geht es ihr gut. Die Gliederschmerzen und Bauchschmerzen waren ebenfalls nach der homöopathischen Arznei nicht mehr aufgetreten.
Fall 3: Junge, 6 Jahre. Er ist hochsensibel, die Eltern waren mit ihm seit 1,5 Jahren bei der Ergotherapie. Er hat heftige Wutausbrüche, aber nur zuhause. Wirft Sachen durch die Gegend, knallt die Türen, man kann ihn nicht erreichen in seiner Wut. Er ist überempfindlich, Kleidung unangenehm, Schuhe zu eng, Gerüche sind schlimm für ihn. Auch Lautstärke erträgt er nicht. Seit 2-3 Jahren Nägelkauen, wenn er Stress hat; beißt sich seit 6 Wochen die Unterlippe heftig auf. Abends kommt er nicht zur Ruhe, findet nicht in den Schlaf.
Beginn: Seit dem 1. Tag auf der Welt ist er unruhig, er ist nur auf dem Arm der Mutter ruhig gewesen, in den ersten 16 Wochen nur geschrien, hatte wohl Reflux. Seit Säugling hat er Phasen von heftigen Wutausbrüchen, die 3-4 Wochen andauern, dann ist es ein paar Wochen besser, dann geht es wieder los.
Therapie: Aconitum C10.000; ab dem 2. Tag der Gabe weniger Wutausbrüche; nach Wechsel zu Aconitum Q 3 kein Nägelkauen mehr, reduzierte Überempfindlichkeit, nach 3 Monaten ausgeglichen wie noch nie, geht jetzt in die Schule, die Wahrnehmungsstörung hat sich komplett normalisiert.
Fall 4: Junge, 11 Jahre, Bauchschmerzen, Allergie, Skoliose.
Therapie: Aurum C 200; abklingende Bauchschmerzen, nach Wechsel zu Aconitum 1000 Aktivierung des Immunsystems, die die Neigung zu allergischer Reaktion verringert, Verfestigung des Rückens.
Diese und weitere Fallbeispiele belegten, wie segensreich die homöopathische Therapie in der Pädiatrie sein kann. Damit wurde aber auch die Unverzichtbarkeit der Homöopathie in einer modernen Medizinlandschaft bestens unterstrichen und begründet.
Die Zuhörer wurden Zeugen eines beeindruckenden Vortrags, für den sie Dr. Schimmöller mit starkem Applaus dankten.