Altes Leben - Leben vor dem Herzstillstand

Anlass und Motivation für diese Homepage

Bis zum 70. Lebensjahr habe ich als Geschäftsleiter der Berner Fachstelle für Schulentwicklung, Evaluation und Beratung mit meiner Ehefrau Elisabeth und einem kompetenten Peer-Team Zertifizierungen im Bildungswesen durchgeführt. Am Vortag des Corona-Lockdowns führten wir die letzten Befragungen am Bildungszentrum NMS Bern durch. Anlässlich der folgenden kommunikativen Validierung wurde das Gesamtkollegium über die Rückmeldungen der Interviewten Anspruchsgruppen informiert.

Während des Lockdowns waren unsere beruflichen Tätigkeiten eingestellt. Neben den täglichen Spaziergängen mit unserem Boxerhund konnten Elisabeth (am Hammerflügel und Cembalo) und ich unser gemeinsames Musizieren weiter pflegen.  In jeweils Fünfergruppen konnten sich die Nachbarn am gemeinsamen Musizieren erfreuen.

Nach Beendigung des Lockdowns konnten wir unsere gewohnten familiären, musikalischen und sportlichen Tätigkeiten wieder aufnehmen. Zwei Unfälle mit Rupturen der Sehnen an der Schulter und am Knie haben mich allerdings in meinen sportlichen Tätigkeiten eingeschränkt.Das gemeinsame Musizieren mit Elisabeth konnte ich aber weiterpflegen. 

Am Palmsonntag 2022 haben wir in der wunderbaren Kirche Kirchberg ein letztes Konzert für Tenor und Hammerflügel mit Liedern von Franz Schubert und aus der Liedersammlung «Im Röseligarte» durchgeführt. Die Musik erklang im Gedenken an unsere Sportkollegen, die während der Coronapandemie verstorben waren. Obwohl ich stimmlich wegen einer vorgängigen hartnäckigen Halsentzündung nicht so gut disponiert war, fand das Konzert bei den zahlreichen Zuhörenden guten Anklang. Wir konnten die ansehnliche Kollekte von ca. 2'000.- Fr. an die Krebshilfe und an Pro Senectute überweisen.

Herzstillstand, 28. Juni 2022

Am frühen Abend des 28. Juni hatte ich nach einem Infarkt einen Herzstillstand mit nachfolgender Lungenembolie und Lungenentzündung. Weil ich an diese einschneidenden Ereignisse keine Erinnerung mehr habe, hat meine Ehefrau Elisabeth die Vorkommnisse in den folgenden Aufzeichnungen dokumentiert (kursiv blau). Um sie zu entlasten, hat es mein ältester Bruder Rudolf übernommen, meine Geschwister und Freunde der Familie in einem täglichen Mail zu informieren (kursiv grün).

 Peters Geschichte mit dem Herzstillstand (Aufzeichnungen von Ehefrau Elisabeth)

Sonntag, 26. Juni
Wegen Peters Ohrenleiden haben wir die Ferien in Gerlos abgebrochen. Wir geniessen den Sommer in Burgdorf. Mit dem E-Bike fahren wir eine stündige Tour Richtung Oberburg-Hettiswil-Mötschwil. Für das Knie gerade die richtige Länge. Ich koche noch Spaghettisauce für Montagmittag.

Montag, 27. Juni
Jöggu und Mättu sind schon früh da und stellen die beiden Gerüste auf. Ich fahre ins Coop um Erdbeeren, Nidle und Cake zum Znüni zu kaufen. Um 11 Uhr holt Peter Mattia von der Kita ab, um mit uns an den Solätte-Umzug zu kommen. Leider hat Mattia plötzlich Fieber und bleibt zu Hause. Nun erfahren wir, dass Mättu glutenallergisch ist. Also gibt’s zum Mittagessen Spaghetti und Sauce, dazu Gemüse mit Halloumi und natürlich Erdbeerkuchen wegen der Solätte. Ruedi, Martin, Katrin und Masi sind dabei.

Nach dem Mittagessen gehen wir zum Rank. Peter nimmt das Fahrrad, weil sein Fersensporn schmerzt. Nach zwei Jahren findet wieder einmal der Umzug statt. Wir grüssen noch Hrn. Rappa und den Gemeindepräsidenten Stefan Berger sowie Christa Markwalder mit ihrem Neugeborenen. Katrin hat einen Joghurtkuchen mitgebracht.

Bereits um 16h stehen die zwei sehr stabilen Gerüste. Peter meint, hier würde er auch hinaufsteigen, weil sie überhaupt nicht wackeln. Die Brüder Beutler haben sehr gute Arbeit geleistet und verabschieden sich.

Dienstag, 28. Juni
David und Stefan montieren die Sonnenpannels auf dem Wohnhaus. Peter hilft mit. Er muss das Garagedach mit dem Kärcher reinigen. Es ist sehr glitschig. Mit dem Schlauch spritzt er auch mich und Rita ab!

Weil zu wenig Holz für den Velostand vorhanden ist, fährt er mit dem Auto zu Fritz und holt noch eine Latte. Danach beginnt er mit dem Schleifen der Laden. Nach der Hälfte versorgt er die übrigen langen Latten im Estrich der Garage. Ich fahre zu Malik um Hausaufgaben zu machen.

Um 18.20h komme ich zurück. Peter hat mich schon erwartet. Weil die beiden Arbeiter von Koteletts gesprochen haben, ist er mit dem Fahrrad holen gegangen. Der Tisch ist gedeckt, der Wein bereit, der Pool geheizt. Peter klagt über Schmerzen in der Brust. Er liegt aufs Bett, reibt sich Salbe ein und ich wärme das Kissen um es auf die Brust zu legen. Er lehnt es ab ins Spital zu gehen. Peter kommt hinunter um nach dem Grill zu schauen. David bleibt beim Grillieren und Peter geht wieder nach oben. Um 18.40 sagt plötzlich David, er höre ein komisches Geräusch, wie ein Glucksen, vom Schlafzimmer. Wir laufen alle drei die Treppe hoch. Peter liegt bewusstlos auf der Seite im Bett. Das Herz schlägt nicht mehr. Er ist blau im Gesicht. David ruft die Nummer 144 an. Der Mann sagt: Sofort auf den Boden legen und anfangen mit der Herzmassage. Stefan schiebt das Bett auf die Seite. Beide Männer pumpen kräftig. Der Mann am Telefon gibt Anweisungen. Fragt, ob Peter noch blau sei im Gesicht. Nein, das ist besser. Die Beiden wechseln sich ab. 5-4-3-2-1-wechseln-5-4-3-2-1 wechseln. Ich halte den Kopf und rufe immer wieder Peters Namen.

Nach 16 Minuten hören wir endlich die Ambulanz. Uns erscheint es als halbe Stunde. Ich stehe auf die Strasse und weise sie ein. Vier Sanitäter sind im Schlafzimmer und leisten erste Hilfe. Auch mit dem Defibrillator. Die Rega kommt. Sie fliegt zum Fussballfeld bei der Neumatt. Auch der Arzt ist da. Unten sind drei Leute, die den ganzen Ablauf managen. Nach etwa 20 Minuten tragen sie Peter auf einem roten Tuch zur Ambulanz und fahren zum Helikopter. Peter wird zum Inselspital geflogen. Ich darf nicht mitfliegen. Der Arzt will noch Informationen und eine Person fragt, ob wir noch Hilfe brauchen. Dann fahren alle weg.

Wir bleiben zurück und fangen an aufzuräumen. Mi hat den Grill inzwischen abgestellt. Mattia hat vom Fenster aus zugeschaut. Als Peter hinausgetragen wird, nimmt Masi ihn weg. Die Koteletten sind teilweise verkohlt. Wir essen ohne Appetit den Rest und stellen den Pool ab. Nun heisst es einfach warten.

David, Stefan und ich machen mit Elvis die Emmenrunde um uns etwas zu beruhigen. Dann sitzen wir draussen bis es Nacht wird. Ich telefoniere um 22h. Peter liegt auf der Intensivstation und wird bestens umsorgt. Mehr kann man in Moment nicht sagen. Erschöpft kann ich doch etwas schlafen.

Mittwoch, 29. Juni
Ich darf zu Peter ins Inselspital gehen. Mi kommt von der Arbeit mit mir. Peter liegt auf dem Rücken. Zahlreiche Schläuche sind angehängt und Computer übernehmen die Kontrolle der Tätigkeit der Organe. Peter liegt im Tiefschlaf auf dem Rücken. Es sieht eigentlich gesund aus, als ob er einfach friedlich schlafe. Man sagt, er habe grosses Glück gehabt. Herzstillstand überleben nicht viele Menschen. Viel mehr erfahre ich nicht. Also fahre ich nach Hause und telefoniere Ruedi. Er übernimmt sofort die Aufgabe die Geschwister zu informieren. Mi informiert die Töchter. Nun heisst es einfach warten. Um die Zeit herumzubringen, fange ich an die Laden zu streichen. Am Nachmittag fahre ich wieder nach Bern. Peter liegt unverändert auf dem Bett. Böffu kommt auch. Man kann nicht viel mehr sagen, als dass die Organe gut arbeiten. Er wird im Tiefschlaf gehalten. So kann sich vor allem das Gehirn vom Stress erholen. Der Körper wird die ganze Zeit unterkühlt, damit keine Infektionen entstehen. Peter liegt auf einem Kühlkissen. Die Füsse sind ganz kalt. Sein brauner Körper sieht ganz gesund aus. Niemand vermutete, dass er mit dem Herz ein Problem gehabt hätte.

Ein Arzt informiert über den Zustand. Er sagt, die Prognosen für eine Heilung seien gut. Man wisse aber noch nicht ob es Nebenwirkungen gebe. Sie wollen am Abend das Schlafmittel absetzen. Die beste Prognose wäre, er würde sofort erwachen und richtig wach sein. Die Phase des Erwachens könne sich aber über Tage hinwegziehen. Wir machen ab, dass ich um 10h telefoniere um zu erfahren, wie es stehe. Die Frau sagt, beim Erwachen habe Peter so sehr geschlottert, dass er wieder in Tiefschlaf versetzt werden musste. Die grosse Frage ist, wie steht es mit der Sauerstoffzufuhr zum Gehirn? Hat es einen Schaden gegeben? Für uns aber vor allem für Peter wäre dies sehr schlimm. Gegen Abend fahre ich wieder nach Hause.

Wenn ich mit Elvis laufen gehe, werde ich immer wieder angehalten. Alle wollen wissen, wie es ihm gehe und wünschen alles Gute.

David und Stefan haben nun auch die Garage mit Sonnenpannels gedeckt und verabschieden sich. Immer wieder danke ich ihnen für die schnelle Hilfe bei der Reanimation.

Donnerstag, 30. Juni. Gerüst abräumen
Schon um halb acht kommen Jöggu und Mättu um das Gerüst abzuräumen. Um 10.30 sind sie schon fertig. Böffu hat bei mir übernachtet. Am Morgen schleift sie noch ein paar Laden. Es ist prächtiges Wetter. Am Mittag fahren wir nach Bern. Mi kommt auch zum Spital. Alle acht Stunden versuchen die Ärzte Peter zu wecken. Um ca. 15h. bewegt er Beine, Arme und Kopf. Er hat immer noch den Atemschlauch im Hals und versucht mit unkontrollierten Bewegungen diesen wegzunehmen. Er ist sehr unruhig. Die Pflegefachfrau versucht ihn anzusprechen. Sie fragt, ob er sie verstehe. Ein ganz minimes Nicken folgt. Dies freut uns sehr. Sobald Peter ein paar Anordnungen befolgen wird, kann der unangenehme Intubierungsschlauch entfernt werden. Nun bekommt er wieder Schlafmittel. Ein Arzt kommt und teilt mir die sehr befreiende Nachricht mit, dass Peters Gehirn immer zu 100% mit Sauerstoff versorgt worden ist. David und Stefan habe optimale Herzmassage geleistet. Allerdings mit der Folge, dass links und rechts Rippen gebrochen sind. Dies sei aber unumgänglich, wenn das Blut aus dem Herzen gepumpt werden soll, damit neues Blut eintreten kann. Um 17h gehen Böffu und ich weg. Mi ist da. Um 18h erfolgt ein neuer Versuch Peter zu wecken. Diesmal befolgt er die Anweisungen die Hand zu drücken, zu nicken und die Zunge herauszustrecken. Mi teilt mir dies mit. Das freut mich. Nun kann der Schlauch entfernt werden. Sie lädt Musik von Mozart auf einen Stick um Peter etwas aufzumuntern. Christine und Lutzi kommen zu Besuch und lösen Mi ab.

Als ich nach Hause komme, liegen überall gehackte Blätter auf der Strasse. Unterdessen hat es in Burgdorf ein Hagelgewitter gegeben, mit Körnern von 5cm Durchmesser. Erschreckt stelle ich die vielen Dellen auf unserem neuen Auto fest und die zerhagelten Fenster auf dem Camper. Der Rasen ist noch weiss. Auch das noch! Aber mit Peter geht’s aufwärts. Am Abend besuche ich noch Maliks Abschlusstheater.

Freitag, 1. Juli
Ich kann mit Peter telefonieren. Er sagt nur: Eieiei…aiaiai… . Die Frage ist, ob er verlegt werden kann. Plötzlich heisst es, er werde nach Burgdorf gebracht. Ruedi wollte ihn eigentlich noch in Bern besuchen. Er kommt auf die Intensivstation in Burgdorf. Diese Verlegung ist für Peter eine Herausforderung. Nach dem Transport kann ich Peter besuchen. Er spricht sehr undeutlich. Die Bewegungen sind fahrig und unkontrolliert Er kennt mich kaum. Er fragt immer wieder, ob er jetzt sterbe. Ich gehe nach Hause. Am Abend reagiert Peter schon besser. Er spricht langsam, aber bedeutend deutlicher. Er zählt seine Familie auf. Erwähnt Ruedi, den Preisüberwacher und Nationalrat, Christine, die Harfenistin, Kathrin, die Sozialarbeiterin an der HPS, Mi, die Ingenieurin, Böffu, die sportliche Gymnasiallehrerin…. . Dazwischen fällt er immer wieder in den Schlaf zurück. Christine kommt mit der Harfe. Sie fragt, ob sie ihm etwas spielen dürfe und ob er gerne Besuch habe. Er verneint. Sie spielt trotzdem. Die vielen Schläuche und Apparate werden immer kontrolliert. Vor allem die Sauerstoffzufuhr ist wichtig.

Samstag, 2. Juli
Ruedi kommt zu Besuch und ist etwas schockiert über seinen Zustand. Auch Mi ist da. Peter erholt sich von Tag zu Tag. Er ist dankbar für die gute Umsorgung. Spricht deutlich besser. Wegen den Schmerzen und den Schmerzmitteln fällt er immer wieder in den Dämmerzustand, sagt «aiaiai» und begreift wohl nicht, was passiert ist. Böffu und Mänu sind da. Wir testen Peters Gedächtnis indem Böffu ein klassisches Stück abspielt. Peter erkennt es sofort und sagt langsam und benommen: «Mozart Requiem».Ich besuche ihn am Morgen und Abend und stelle jedes Mal kleine Fortschritte fest. Ich bin sehr froh, dass es immer besser geht.

Sonntag, 3. Juli
Peter spricht immer deutlicher und unterhält sich mit den Schwestern. Etwas ungefiltert erzählt er sehr viel. Von seiner Familie, von seiner Arbeit, vom Singen, von seinen Unfällen. Mit Frau Dr. Salomon von Burgdorf findet er sehr viele Gemeinsamkeiten. Musik, Hund, Pferd. Auch Frau Badertscher ist ihm wichtig. Zum Essen darf er aufsitzen. Das Abschätzen der Distanz gelingt noch nicht ganz. Beim Trinken und Essen helfe ich manchmal nach. Mi kommt zu Besuch.

Montag, 4. Juli
Hans ist von seiner Landschulwoche zurück und besucht Peter. Jetzt will Peter von der Ärztin wissen, welche Beine sie attraktiver finde. Die weissen von Hans oder seine braunen muskulösen Beine. Sie legt sich nicht fest. Aber wir wissen, dass Peter wieder bei vollem Bewusstsein ist und dass sein Gehirn sicher funktioniert. Er ist etwas unzufrieden. Die Schwestern haben ihn zu lange sitzen lassen und sind unterdessen essen gegangen. Er möchte seine Agenda, weil er sich erinnert, dass er in dieser Woche viele Termine hat. Diese habe ich natürlich schon alle abgesagt.

Dienstag, 5. Juli
Peters Zustand ist stabil. Ich besuche Peter. Nun realisiert er, dass er ein zweites Leben erhalten hat. Mi besucht ihn mit Mattia. Sie schauen Pferde auf dem IPad. Der Sauerstoffgehalt beim normalen Atmen ist zu tief. Er muss noch auf der Intensivstation liegen bleiben. Das Husten bereitet ihm sehr Schmerzen obwohl er Schmerzmittel hat. Ich fahre mit Kathrin und Ayla nach Krozingen in die Schmerztherapie.

Mittwoch, 6. Juli
Peter wird auf die allgemeine Abteilung verlegt. Er wird immer noch mit Sauerstoff versorgt.
Er kann aufstehen und bis zur Tür gehen. Mit all den Schläuchen ist das schwierig. Mit der Physiotherapeutin übt er das Atmen und erklärt ihr auch gleich die Funktion der Stimmbänder. Masi besucht ihn mit Mattia und Remy.

Donnerstag, 7. Juli
Peter erfährt vom Hagelschaden. Das beschäftigt ihn sehr. Vor allem, dass ich das Auto nicht untergestellt hatte. Er telefoniert mit der Firma Ruchti wegen des Hagelschadens. Auch teilt er mir immer wieder mit, wenn sich jemand für die Wohnung interessiert. Peter ist also wieder voll am Organisieren!

Freitag, 8. Juli
Der Hagel hat viel vom Garten zerstört. Beeren, Äpfel und Birnen liegen am Boden. Die Bohnen sind zerhackt. Ich fange an etwas aufzuräumen und zu putzen. Dann müssen noch die Latten fertig gestrichen werden. Peter macht sich Gedanken über die Reha. Anfänglich war die Idee, das von zu Hause aus zu machen. Da würde aber die Überwachung fehlen und das macht Peter etwas Angst. Martin und Hiroko besuchen Peter.

Samstag, 9. Juli
Jöggu und Mättu haben sich bereit erklärt, den Velounterstand aufzustellen. Mättus 4 Kinder kommen auch. Die 6 Kinder werden von Masi und Böffu betreut. Die Konstruktion muss noch angepasst werden. Schliesslich steht der Unterstand, ist aber noch etwas unstabil.

Ruedi und Sandra wollten zu Besuch kommen. Nun sind sie in Kontakt mit Corona gekommen und sagen den Besuch ab. Peter hat Husten, was ihn sehr schmerzt. Am Rücken hat er blaue Flecken. Er realisiert, dass die Heilung doch länger dauert, als er zuerst angenommen hat. Das braucht Geduld. Aber wir sind alle sehr dankbar und froh, dass es dich noch gibt, lieber Peter!

Sonntag, 10. Juli
Heute kommen Vreni und Martin Kunz zu Besuch. Sie haben sich sehr um Peters Zustand gekümmert und immer wieder nachgefragt.
Peter wird nun in der allgemeinen Abteilung im Spital Burgdorf umsorgt. Er kann im Zimmer umhergehen, muss aber immer mit Sauerstoff versorgt werden. Am Mittwoch, den 13. Juli besucht ihn Hans. Mit Sauerstoffflasche und Rollstuhl gehen die Beiden um das Spitalgelände. Es ist sehr heiss. Und Peter fühlt sich im Rollstuhl nicht sehr wohl.
An den folgenden Tagen geht Peter mehrmals mit einem Rollator und Sauerstoffflasche spazieren. Ich begleite ihn jeweils auf einem Rundgang. Endlich ist der Sauerstoffgehalt im Blut stabil und die Schläuche können abgehängt werden. Das grössere Problem bereitet ihm nun die Prostata. Die Intubierung kann nicht abgesetzt werden. Ohne Schläuchlein bereitet Peter das Wasser lassen zu grosse Schmerzen. Wenigstens kommt der Sack weg. Aber wer zeigt ihm nun, wie die Einrichtung richtig bedient werden soll? So nach und nach erfährt er, wie der Hebel zu bedienen ist. Nun muss er mindestens alle drei Stunden aufs WC, damit die Blase wieder anfängt zu arbeiten.
So langsam stellt sich der Spitalkoller ein. Wie geht es weiter? Die Ungewissheit macht unzufrieden. Die Sozialarbeiterin vom Amt sollte einen Rehaplatz suchen. In Frage kommen Le Noirmont oder das Tiefenauspital. Lange fehlt jegliche Information. Schliesslich erfahren wir, dass es in Le Noirmont zwei Abteilungen gibt. Peter ist als Patient mit Sauerstoffbedarf und Prostata-Problemen angemeldet, müsste also in die Pflegeabteilung, die aber voll besetzt ist. Nur, diese Probleme wären ja jetzt weitgehend gelöst. Trotzdem wird er auf den freien Platz in der ‘normalen’ Abteilung nicht angemeldet. Die Ärztin spricht und spricht und spricht…wiederholt sich immer wieder und geht überhaupt nicht auf Peter ein. Deprimierend! Sie wundert sich auch, dass der seit ein paar Tagen freie Platz nicht in Anspruch genommen worden ist.

Am nächsten Tag kommt ein anderer Arzt. Dieser führt ein konstruktives Gespräch. Fokussiert wird nun auf die Tiefenau. Schon am nächsten Tag folgt die Nachricht, dass Peter am Donnerstag, 21. Juli dort eintreten kann. Beim Abschlussgespräch stellt sich die Frage, ob ein Schmerzmittel abgesetzt werden kann. Herr Dr. Meier gibt Peter 6 Minuten Zeit für die Entscheidung!! Danach müsse er weiter gehen. Peters Zimmernachbar meldet an, dass er noch drei Minuten für sein Problem bräuchte!

Endlich kann Peter das Spital verlassen. Der Fahrdienst verspätet sich so sehr, dass ich ihn in die Tiefenau bringe. Er bekommt ein Einzelzimmer und einen Plan für die Aktivitäten der nächsten Woche. Das stellt auf. Walken, Hometrainer, Physio, Krafttraining stehen auf dem Programm. Zudem Vorträge und die Möglichkeit psychologische Hilfe in Anspruch nehmen zu können. Psychisch gibt’s auch Rückfälle und er nimmt das Angebot gerne an. Er wird gut betreut, hat sehr aufgestellte Pflegefachfrauen und freut sich über seine Fortschritte. Er bekommt auch rege Besuch, der ihn auch auf seinen immer zahlreicheren Rundgängen ums Spital begleitet.

Sonntag, 31. Juli
Am Morgen teilt mir Peter mit, dass er positiv auf Corona getestet worden ist. Auch das noch. Hoffentlich bleibt der Verlauf harmlos. Aber 7 Tage Quarantäne sind angesagt. Das ist deprimierend!!

Es besteht der Verdacht auf eine Lungenentzündung. Deshalb ordnet der Arzt ein Schichtröntgen an. Es stellt sich heraus, dass Magensäure in die Lunge eingetreten ist und eine Lungenentzündung verursacht hat. Zudem entstand auch eine Lungenembolie. Peter bleibt nichts erspart. Der Sauerstoffwert im Blut ist sehr tief. Deshalb muss stets Sauerstoff zugeführt werden. Auch beim Gang zur Toilette, was immer sehr umständlich ist wegen den vielen Schläuchen, die umgehängt werden müssen.

Montag, 1. August bis zum Austritt
Alle Aktivitäten sind abgesagt. Körperlich gibt’s einen Rückschlag und Peters Gemütszustand ist am Boden. Im Zimmer ist es heiss. Wenigstens darf er mit Maske hinausgehen um zu spazieren. Aber er mag nicht so recht. Mit einem Taxi wird ein neues noch nicht offiziell zugelassenes Covidmedikament geliefert, das ihm als Risikopatient verabreicht wird. Peter hat Halsweh und Husten. Dank den starken Schmerzmitteln spürt er wenigstens die gebrochenen Rippen nicht.

Im Verlauf der Woche wird ihm noch ein Hometrainer ins Zimmer gestellt. Aber mit dem Katheter geht das Velofahren schlecht. Nun fallen auch die Besuche aus. Ich darf Peter nur draussen treffen. Am Samstag ist die Quarantäne endlich zu Ende. Aber das Atmen fällt schwer. Nun stellt sich die Frage, ob die Krankenkasse eine weitere Woche Aufenthalt bewilligt. Die Herz-, Lungen- und Blutwerte sind aber so gut, dass dies kaum geschehen wird. Auch sagen die Ärzte, sein Allgemeinzustand sei zu gut, so dass er in den Aktivgruppen nicht sehr viel profitieren könne. Eigentlich ist der Reha-Aufenthalt am Mittwoch, 10. August, zu Ende. In der Gymnastik sollte Peter einen Stab heben. Er hat zu starke Schmerzen und muss mit dem Rollstuhl zurück ins Zimmer gebracht werden. Das ist sehr deprimierend. Der Austritt erfolgt nun trotzdem am Mittwoch. Hoffentlich wird alles gut gehen.

Zu Hause
Bereits am nächsten Tag muss Peter im Inselspital den zweiten Stent einsetzen lassen. Dies geschieht durch eine Arterie am Arm. Der behandelnde Arzt, Dr. Pilgrim, freut sich, Peter wieder zu sehen. Er hat ihm auch den ersten Stent eingesetzt. Er sagt, dass nur 10% von Patienten, die einen Herzstillstand ausserhalb des Spitals erleiden, wiederbelebt werden können. Immer mehr wird uns bewusst, wie viel Glück wir hatten und was wir David und Stefan verdanken. Nach einem Arztbesuch bei Frau Furlan hole ich mit einer langen Liste Peters Medikamente in der Apotheke. Zur besseren Übersicht braucht’s eine Schachtel zum Einordnen. 11 Tabletten jeden Tag! Peter macht erste Runden im Quartier und wird herzlich begrüsst. Der Blutdruck ist oft zu tief. Aber noch mehr stört der Katheter. Wir fahren nach Jegenstorf zum Urologen. Am 18. August kann der Schlauch endlich entfernt werden.

Peter geht nun jede Woche nach Lützelflüh in die Physio und nimmt im Spital Burgdorf am Training der Herzpatienten teil. Die Heilung braucht noch Zeit. Aber die Aussichten zur vollständigen Genesung sind gut!


Meine beiden kräftigen Lebensretter

Peters medizinisches Bulletin verfasst und versandt von Ruedi
(ältester Bruder von Peter)

1. SITUATIONSMITTEILUNG PETER 28. 6. 2022 

Die erste Mitteilung an alle erfolgte einzeln, telefonisch am Dienstagabend 28. Juni 2022

2. SITUATIONSMITTEILUNG PETER 28. 6. 2022  nachts Intensivstation Inselspital

To: Martin Strahm, Nöthiger-Strahm, Christine, Strahm, Katrin, Gerber, Sandra

Liebe Alle
Die Diagnose ist jetzt da: Peter hatte einen Herzinfarkt mit zwei Verengungen. Eine davon ist bereits geöffnet. Die andere wird später behandelt. Er ist jetzt in der Insel-Intensivstation ins Koma versetzt, um das Hirn erholen zu lassen. Elisabeth und Mi gehen morgen, Mittwochmorgen, zu ihm.
Er hatte Glück, dass die zwei Bauarbeiter fast von der ersten Minute an Herzmassage betreiben konnten, bis die Ambulanz mit Defribrillator eintraf. Er wurde dann mit dem Heli von der Neumatt ins Inselspital geflogen.
Bitte Elisabeth nicht anrufen. Sie muss sich um die Familie (Töchter und Kinder) kümmern und wird morgen im Spital sein.
Wir sollten vielleicht mal eine Familien-Whatsup einrichten. Ich konnte am Dienstagabend spät nicht mehr anrufen.

3.  SITUATIONSMITTEILUNG PETER 29. Juni 2022
Liebe Alle
Elisabeth hat um 18 Uhr mitgeteilt, dass Sie auf dem Weg zum Inselspital sei. Besuchszeit in der Intensivstation ist nur 13 bis 19 Uhr.
Man wird Peter heute (Mittwoch) nach 19 Uhr aus dem künstlichen Koma holen. Elisabeth hofft, dass er ansprechbar sein wird. Nächster Bericht wohl erst am Morgen.

4. SITUATIONSMITTEILUNG PETER 30. Juni 2022
Neue Meldung zu Peter kommt nach 14.30 Uhr.

5. SITUATIONSMITTEILUNG PETER 30. Juni 2022
MITTEILUNG HEUTE MORGEN
Gestern Abend mussten sie das Schlafmittel wieder erhöhen, weil er so stark zitterte. Patienten werden ja etwas unterkühlt, um eine Entzündung zu vermeiden.

MITTEILUNG HEUTE NACHMITTAG (16 Uhr).
Peter war einen Moment wach und hat ein bisschen reagiert. Laut Arzt hatte er immer genügend (100%) Sauerstoff. Jetzt warten wird darauf, dass er wirklich wach wird, das sei nicht so selbstverständlichl. LG von Elisabeth.

6. SITUATIONSMITTEILUNG PETER 30. Juni 2022 INSELSPITAL
Liebe Alle
Ich war vorhin im Insel-Spital. Elisabeth hatte mich bei der Intensivstation für einen Besuch angemeldet. Ich ging dann nicht hinein, weil Peter schon wieder in den Schlaf abgetaucht war. Mi war zugegen und sie war bei Peter.
Peter ist zeitweilig aufgewacht, aber dann wieder in den Tiefschlaf versetzt worden.
Der Aufwachprozess im 8-Stunden-Rythmus dauere 72 bis 96 Stunden. Um 18 Uhr war Peter ansprechbar. Er ist noch intubiert und kann nicht sprechen. Aber er hat auf Fragen hin die Hand gedrückt und genickt und durch solche Zeichen bewiesen, dass er ansprechbar ist und wahrnimmt, was um ihn herum abläuft. Die Augen öffnet er nicht. Er habe keinen Sauerstoffmangel-Schaden, sagt das Spitalpersonal.
Mi sagt, dass Peter danach eine Rehabilitation brauche.
Ich werde Peter morgen eventuell besuchen. Man kann nur auf Anmeldung durch Elisabeth zu ihm.
Wir hatten vor dem Infarkt, am Montag abgemacht, dass wir Geschwister uns am Freitagnachmittag, 19. August 2022, in Burgdorf treffen wollen. Jetzt ist offen, ob dies möglich sein wird, aber reserviert mal das Datum.

7. SITUATIONSMITTEILUNG PETER 1. Juli 2022 INSELSPITAL    Hiroko wünscht die News
Liebe Alle
Hier die Message von Elisabeth von heute morgen:
Peter ist erwacht. Die Intubierung der Luftröhre ist entfernt worden. Er hat Schmerzen auf der Brust, weil bei der Herzmassage einige Rippen beschädigt (gebrochen) worden sind. Elisabeth konnte am Telefon mit ihm kurz reden (die Pflegefachfrau hat ihm den Hörer hingehalten). Er ist voll im Bewusstsein, hat noch Mühe mit dem Sprechen nach der Intubation, und er war etwas verwirrt darüber, wo er sich befinde. 

Man muss bei ihm - sofern ich das richtig verstanden habe - auch noch die zweite Verengung am Herz öffnen. (Die erste, schadhafte Verengung wurde bereits mit einem Stent geöffnet.)

Ich melde mich nach meinem Besuch. Elisabeth hat mich gebeten, schon am Mittag hin zu gehen, weil sie erst später kommen kann.

8. SITUATIONSMITTEILUNG PETER 1. Juli 2022 10:35 Uhr  Marc und Cornelia wünschen die News

Elisabeth telefoniert ab. Peter wird heute Mittag in die Intensivstation des Spitals Burgdorf gebracht. Ich kann ihn also nicht besuchen.

9. SITUATIONSMITTEILUNG PETER 1. Juli 2022 abends. INTENSIVSTATION Spital Burgdorf
Der Transport ist belastend. Besuch am Abend: Peter schläft viel. Zwischendurch wacht er auf, ist ansprechbar aber nicht voll anwesend. (Ergänzung Elisabeth)

10. SITUATIONSMITTEILUNG PETER 2. Juli 2022  

Liebe Alle
Ich habe heute Nachmittag Peter auf der Intensivstation des Spitals Burgdorf besucht. Mi war auch dort. Man kann ihn nur besuchen mit Anmeldung und Vorregistrierung durch Elisabeth.
Peter war wach, ist an hundert Schläuchen, aber er hat mich gleich erkannt. Er spricht langsam, manchmal erscheint er wie im Delirium. Die Erinnerungstests durch die Pflegefachfrau: "Wie heisst die Familie?», "Wer ist der Besucher?" funktionieren. Zählen kann er auch.
Er habe keine Hirnschädigung durch den Herzstillstand erlitten, sagt das Personal. Aber Verwirrtheit nach dem künstlichen Koma sei "normal". Peter hat grosse Schmerzen an der Brust, zeitweilig musste er weinen vor Schmerz. Die Schmerzmittel müssen immer wieder kalibriert werden. Diese Schmerzen stammen von den zwei Rippenbrüchen aus der Herzmassage durch die beiden Handwerker (die ihm vielleicht (sicher!!) das Leben gerettet haben). Auch solche Rippenbrüche, sagt man, seien bei Herzmassagen "normal", sogar notwendig, damit das Herz massiert wird.
Das Pflegepersonal sagte Mi, die Heilung sei ein langwieriger Prozess. Allein die Heilung der Rippen dauere sieben Wochen. Zudem muss dann auch noch die zweite Verengung am Herzen mit einem Stent erweitert werden. Die erste, grosse Verengung wurde in der Insel gleich sofort geöffnet.
Ich bin von Sonntag bis Mittwoch mit Sandra, Regula und Hablützels in Menaggio am Comersee.
Mittwoch Abend bin ich zurück. Wenn Rückfragen sind, dann eher bei Mi. Ich bin telefonisch auch erreichbar.

 11. SITUATIONSMITTEILUNG PETER 5. Juli 2022

Peter konnte mich gestern Abend (Montag,) vom Spital aus anrufen. Die Verwirrtheit ist weg. Es geht viel besser. Er kann heute oder in den nächsten Tagen in die Allgemeinabteilung des Spitals Burgdorf verlegt werden.
Allerdings ist wegen den Rippenbrüchen noch eine Lungenembolie hinzugekommen, evtl. auch eine Lungenentzündung. Er hat vor allem beim Husten auf der Brust Schmerzen.
Er rühmt die gute Behandlung in Burgdorf und das Spitalpersonal
Gruss vom Comersee 

12. SITUATIONSMITTEILUNG PETER 22. Juli 2022

Liebe Alle
Seit gestern ist Peter nun im Tiefenauspital bei Bern. Das Spital ist jetzt teilweise eine Reha-Klinik. Peter ist im Spitalgebäude (als "Spital" angeschrieben) im Zimmer 250. Man kann ihn von 11.00 bis 20 Uhr besuchen. Während der Woche ist ein Telefonanruf vor dem Besuch ratsam, weil er an den Werktagen ziemlich viel Programme absolvieren muss.
Ich war gestern kurz bei ihm (für mich kurze Distanz), nach mir auch Mi.
Liebe Grüsse und: geniesst den Sommer, Ruedi


Persönliche Reflexion/Kommentar 1

Dieser Artikel aus einer Studie der Universität Basel beschäftigt mich sehr:

Bei einem Herzstillstand sinkt mit jeder Minute ohne Kreislauf die Chance aufs Überleben.
Etwa 8000 Personen in der Schweiz erleiden pro Jahr einen Herzkreislaufstillstand. Wenn das Herz stillsteht und keinen Sauerstoff in die lebenswichtigen Organe pumpt, werden diese geschädigt. Insbesondere das Gehirn ist auf den Sauerstoffmangel sehr empfindlich. «Schon in der ersten Minute ohne Kreislauf sterben im Gehirn Nervenzellen ab und die Chance auf ein Überleben ohne neurologische Defizite nimmt exponentiell ab», erklärt Prof. Dr. Sabina Hunziker.
Ein Herzkreislaufstillstand ist heute immer noch eine der häufigsten Todesursachen. Bei einem Herzkreislaufstillstand ausserhalb des Spitals liegen die Überlebenschancen bei etwa zehn Prozent. Passiert der Herzstillstand im Spital, überlebt etwa jede fünfte Person. «Von den Überlebenden haben etwa die Hälfte kognitive Einschränkungen und nur etwa 25 Prozent können wieder selbständig ohne Hilfe zu Hause leben», sagt Hunziker. Etwas, das vielen nicht bewusst sei.

Während meiner langen Genesungszeit hatte ich viel Zeit um über den Herzvorfall nachzudenken. Wenn wir die Statistik anschauen, gehöre ich zu den Wenigen, die nach Infarkt, Herzstillstand, Lungenentzündung und Lungenembolie ein selbständiges Leben, ohne Einschränkungen, weiterführen können (2-3 Personen von 100).

Eigentlich müsste ich nur dankbar sein über mein geschenktes, neues Leben. Die Rückkehr in den normalen Alltag war aber nicht immer so einfach und mit Hindernissen bestückt. Während meines Aufenthalts in der Rehabilitation und noch einmal fünf Monate später bin ich trotz dreimaliger Impfung zweimal an Corona erkrankt. Meine Rippen, die bei der Reanimation gebrochen waren und die Therapie für mein verunfalltes Knie haben mich sehr eingeschränkt.  Der zeitweilige Verlust meiner Singstimme hat mir zeitweise meinen Lebensmut genommen.

Als Konzertsänger habe ich oft die Trauerkantate «Actus tragicus» von J. S. Bach gesungen. Die Texte «Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden» und «Bestelle dein Haus, denn du wirst sterben» sind mir im mehrwöchigen Krankenhausaufenthalt immer wieder durch den Kopf gegangen.

Am meisten haben mir meine grosse, besondere, farbige Familie, die wunderbaren Enkelkinder und vor allem meine liebevolle, unermüdliche und geerdete Frau weitergeholfen. Ich lerne allmählich, mich an dem zu freuen, was ich noch kann und nicht dem nachzutrauern, was ich nicht mehr bewältigen kann. Überdies haben wir gemeinsam auch nötige Vorkehrungen, wie Patienten- und Vorsorgeverfügung sowie einen Erbvertrag abschliessen können.



Einstieg in die palliative Begleitung

Es geht mir besser, wenn ich einen strukturierten Tagesablauf lebe und mich neuen Herausforderungen, bzw. Aufgaben stellen kann.

In den letzten Jahren durfte ich unter anderem einige Menschen in ihrer letzten Lebensphase begleiten. An einem Informationstag über Freiwilligenarbeit in einem Alterszentrum habe ich mich entschlossen, in die palliative Begleitung einzusteigen. Wöchentlich besuche ich nun dort G., einen ehemaligen bekannten Bundeshausjournalisten. Diese Begegnungen sind für mich stets sehr bereichernd, manchmal auch herausfordernd. Sie haben mich bewogen, meine Erfahrungen und Kenntnisse in der weitgefächerten Thematik der palliativen Begleitung zu erweitern.
In einem ersten Kurs der Stiftung Diaconis «Letzte Hilfe» habe ich einige Anregungen über das Umsorgen von schwer erkrankten und sterbenden Menschen erhalten. In einem Lehrgang des SRK werde ich im nächsten Jahr meine fachlichen Kompetenzen und Erfahrungen erweitern und vertiefen.

Merkpunkte aus dem Kurs «Letzte Hilfe» Kirchlindach 09.09.23

·         „Palliativ“ stammt von dem lateinischen Wort pallium ab und bedeutet „mantelartiger Überwurf“. Palliativversorgung bedeutet, dass der schwerstkranke Mensch umhüllt und beschützt werden soll.

·         Zuhause sterben ist für alle Beteiligten anspruchsvoll! Es braucht dazu ein Team und kann nicht allein ermöglicht werden.

·         Die generelle Zielsetzung: Lebensqualität verbessern.

·         Sterben ist ein Teil des Lebens. Es kommt zu einem Rückzug beim Essen und Trinken, sowohl in der Intimität/Sexualität.

·         Entwicklung: Siehe Bilder von Ferdinand Hodler von Valentina

·         Es kommt zu Angst und Unruhe, depressiven Reaktionen, Ambivalenz oder Bewusstseinstrübungen.

·         Das Gehör bleibt oft in Takt!

·         Verstorbene sollen schön sein.

 

In der palliativen Begleitung geht man von einem ganzheitlichen Ansatz aus:

·         Lebensqualität verbessern

·         Selbstbestimmung ermöglichen

·         Symptomlinderung

·         Angehörige sind mitbetroffen und müssen einbezogen, zum Teil auch betreut werden.

 

Vier wichtige Strategien

1.       Da-Sein, (aktiv) Zuhören

2.       Nicht medikamentöse Massnahmen können helfen; z. B. Ablenken, gegen Durst/trockenen Mund: Mundspray, wenn möglich (wenig)Trinken, Aufsitzen, Berühren, Schaukeln

3.       Medikamente (nur durch ärztliches Personal verordnet)

-          Morphin gegen Schmerz

-          Midazolam (Dormicum) gegen Angst/Unruhe

-          Haloperidol gegen Übelkeit/Erbrechen evtl. Unruhe

-          Butylscopolamin gegen Rasselatmung

4.       Bleiben und Aushalten können

Siehe auch Buch Borasio: Über das Sterben

 

Grundsätze zur Kommunikation

·         Gelegenheit nutzen, wenn ein Thema im Raum steht.

·         Mutig und respektvoll kommunizieren

·         Keine Oberflächlichkeiten

Praxis bei Trauernden

·         Aktiv Zuhören, geduldig sein

·         Praktische Unterstützung anbieten

·         Trauernde ermutigen

·         Mögliches besprechen

·         Eventuell geteilte Unsicherheit zulassen

 

Die fünf Ws in der Vorsorgeplanung

·         Was ist für mich wichtig am Lebensende?

·         Wer soll für mich entscheiden

·         Wo und wie würde ich gerne sterben?

·         Wann hat das Leben für mich noch einen Sinn?

 

Persönliche Merkpunkte

Ø  Supervision/Austausch selber organisieren

Ø  Grenzen der palliativen Begleitung für mich und eigene Rolle klären

Ø  Anerkannte, erprobte Ausbildung absolvieren

Ø  Systematisch Erfahrungen sammeln und teilen

Ø  Umgang mit Widersprüchlichkeiten (Ambuigität)

Ø  Grenzen für Klienten respektieren

Ø  Kernfrage: Was kann ich für dich/euch tun?

Ø  Unsicherheiten dürfen angesprochen werden!

Ø  Für mich: Vorsorgeauftrag, Patientenverfügung, Vorsorgeplanung, Ort der Dokumente; wer vollzieht das?


Musik berührt die Menschen

Neben den Besuchen habe ich gemeinsam mit der ältesten Tochter Christine, einer sehr begabten Harfenistin (www.harfee.ch) und meiner Frau Elisabeth, Cembalistin (www.bfs.ch/ Conludus Vocalis) als ehemaliger Konzertsänger in Alterszentren verschiedene Male alte Volks- und Weihnachtlieder aufgeführt. Für uns war es immer sehr berührend, wie Menschen mit Demenz bei den alten Liedern mitgesungen haben. Diese Tätigkeit werden wir weiterhin pflegen. Interessierte Institutionen können sich bei mir per Mail melden (p.strahm@besonet.ch).