Genesis 1

Am Anfang erschuf Gott Himmel und Erde.

2Die Erde war wüst und leer, und Finsternis lag über dem Urmeer.

Über dem Wasser schwebte Gottes Geist.

3Gott sprach: »Es soll Licht werden!« Und es wurde Licht.

4Gott sah, dass das Licht gut war,

26 Und Gott sprach: Lasst uns Menschen machen als unser Bild, uns ähnlich.

Und sie sollen herrschen über die Fische des Meers und über die Vögel des Himmels, über das Vieh und über die ganze Erde und über alle Kriechtiere, die sich auf der Erde regen.

27 Und Gott schuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes schuf er ihn; als Mann und Frau schuf er sie.

28 Und Gott segnete sie, und Gott sprach zu ihnen:

Seid fruchtbar und mehrt euch und füllt die Erde und macht sie untertan,

und herrscht über die Fische des Meers und über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf der Erde regen.

2,1 Und so wurden vollendet Himmel und Erde und ihr ganzes Heer.

Und Gott vollendete am siebten Tag sein Werk, das er gemacht hatte,

und er ruhte am siebten Tag von all seinem Werk, das er gemacht hatte.

3 Und Gott segnete den siebten Tag und heiligte ihn,

denn an ihm ruhte Gott von all seinem Werk, das er durch sein Tun geschaffen hatte.

Liebe Gemeinde,

es gibt Dinge, die muß der Mensch wissen. Aber er weiß sie nicht. Darum muß man es ihm sagen. Aber wie sagt man das, was kein Mensch gesehen hat und niemand davon sagen kann, weil er nicht dabei war, ja – noch nicht geschaffen war? Von den Dingen erzählen, einfach und klar und schön, ja wunderbar – das könnte gehen: und so geht’s los mit der Bibel. Zuerst müssen die Dinge festgehalten werden – aufgeschrieben, damit wir es nachlesen können, falls wir es vergessen haben.

So wissen wir z.B. nicht, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Wir können das nicht wissen, weil wir täglich was anderes erleben und sehen: im Krieg, im Netz, in Auschwitz, in Butscha, auch auf dem Schulhof, irgendwo passiert es immer, dass ein Mensch in seiner Würde verletzt wird. „Hatespeech“ heißt das heute – die Sprache des Hasses. Und dennoch ist es wahr: „die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Es ist ein später Satz. Und ein erster Satz, absolut grundlegend. Am 9. November 1938, als die Synagogen in Deutschland brannten – angesteckt von Brandstiftern, normale Bürger darunter, leider auch Christenmenschen, angestachelt durch Nazihorden – die geistige Brandstiftung geschah durch die Jahrhunderte, - da gab es diese Worte noch nicht. Auch heute vor 77 Jahren nicht, als der 2. Weltkrieg endete am 8. Mai 1945. Erst ein paar Jahre später, im Mai 1949 konnte man diesen Satz nachlesen, im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Leider stimmen die Worte immer noch nicht, noch einmal 73 Jahre später beim Blick auf die Wirklichkeit der Welt, aber der Satz ist und bleibt wahr.

So ist es auch mit dem ersten Satz der Bibel: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde“. Diese Worte sind absolut wahr. Aber der Mensch weiß es nicht, viele haben das vergessen. Vielleicht geht es uns auch deshalb nicht so gut. Viele Menschen sind ängstlich, niedergeschlagen, unzufrieden, obwohl sie (fast) alles haben (nicht alle!). Ich halte es nicht mehr für ausgeschlossen, dass es genau daran liegt: dass viele nicht mehr wissen, was sie wissen müßten: Dass Gott da ist. Für uns da, für seine Menschenkinder, die er gemacht hat am Anfang. Ja, den Himmel und die Erde, die hat ER für uns gemacht: damit wir leben unter dem Segen Gottes, im Wissen um seine Güte. Damit klar ist: Gott steht hinter allem. ER steht am Anfang. ER steht am Ende. Und wenn du genauer hinsiehst: ist das alles sehr gut so. Gott ist die Quelle des Lebens – und das Ziel. Von IHM her kommt Licht ins Dunkel der Welt und in die Finsternisse meines Lebens: „und siehe, es war gut!“ Natürlich ist nichts gut in der Welt. Aber es war gut gemacht und es wird gut, wirklich alles gut.

Deshalb gilt der Hinweis:

„Freuet euch der schönen Erde! Denn sie ist wohl wert der Freud,

o was hat für Herrlichkeiten unser Gott da ausgestreut!“ (510,1)

Jubilate! Freute euch. Jubilieret und triumphieret, und wir tun‘s:

Wir lieben und loben, sein Macht dort droben, mit Herz und Munde – Halleluja (398).

Sein Macht zeigt sich dabei als die Macht seines Wortes. Wie wunderbar: das Wort macht’s – nicht Waffen, nicht militärische Macht, nicht Menschensinn-Wahn. Sein Wort schafft es – zuerst: „Es werde Licht!“ Enlightment ist angesagt, Aufklärung ebenso wie Erleuchtung. Gott spricht – und es geschicht. Es gibt Dinge, die muß man wissen, die sind absolut grundlegend, auch im Glauben und für den Glauben. Dazu gehört die Erkenntnis: Gott ist da, indem er spricht. Gott ist da, wenn und wo er redet. Und wenn und wo wir ihn reden lassen. Natürlich können wir Gott überhören, überlesen, übergehen, übersehen und verlieren. Das liegt aber nicht an Gott, sondern an uns.

Genau das ist die Wahrheit, die Israel leidvoll erfahren hat und lernen mußte. – Ich hab’s erwähnt: Manche Worte kommen spät. Der Satz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ ist so ein Satz, obwohl er in der Anlage viel älter ist. Ungefähr 2500 Jahre ist er alt. Denn so alt ist die Geschichte von der Erschaffung des Himmels und der Erde. Die Bibelforscher, also die Wissenschaftler im Bereich der alttestamentlichen Theologie und Religionsgeschichte sind sich sicher, dass diese Erzählung nach dem Exil aufgeschrieben ist – also nach dem Jahr 539, als die Israeliten aus Babylon zurückkehren durften ins Heilige Land. Zuvor hatte das Volk seinen Untergang erlebt, die totale Katastrophe: Juda zerstört, Tempel kaputt, Heimat verloren, geistig, moralisch, religiös am Ende. Wie Deutschland 1945. „Heil Hitler!“ war durch und erledigt.

Was jetzt? Dann die Erinnerung an Gott: „In Verantwortung vor Gott gibt sich die BRD dieses Grundgesetz…In der Erinnerung an Gott gibt sich Israel vielleicht im Jahre 515 zur Einweihung des neuen Tempels in Jerusalem diese erste Erzählung am Anfang der Tora, absolut grundlegend.

Es waren kleine Anfänge nach der Katastrophe, nach dem Untergang des Volkes – und daher der Hinweis: „Seid fruchtbar und mehret euch!“ – Das Volk soll wieder wachsen. Menschen sollen geboren werden – Menschen, die nie mehr vergessen, dass Gott sie geschaffen hat. Deswegen wird das am Ende dreimal wiederholt: das Werk, das er gemacht hat – sechs Tage lang. Jeden Tag hat Gott geredet. Hat Weisung gegeben. Hat gewirkt. Hat Wirklichkeiten gesetzt: am Himmel Lichter gesetzt – mehr nicht. Keine Götter, nur Lichter: zwei große und viele kleine: Sonne, Mond und Sterne. Menschen hat er gewollt und geschaffen, die alles noch wissen und es nachlesen von Generation zu Generation, dass Gott zu sich spricht: „Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei.“

Da ist die Anlage gesetzt für die Würde des Menschen, die ihm keiner nehmen kann, weil Gott sie in den Menschen eingepflanzt hat: ER selbst schimmert hindurch durch jeden einzelnen Menschen, ob Mann oder Frau oder divers – also unentschieden. Kein Menschenbild, kein Menschenkind ohne Bezug zu Gott, unserem Schöpfer. „Großer Gott, wir loben dich!“ Wieso? – „Wie du warst vor aller Zeit, so bleibst du in Ewigkeit.“ Siehe, es war so gut, einzigartig gut. „Dass du uns einstimmen läßt in deinen Jubel, o HERR, deiner Engel und himmlischen Heere, das erhebt meine Seele zu dir o mein Gott, großer König, dir sei Lob und Ehre!

Wollen wir da unsere Zustimmung verweigern und verleugnen, dass wir von Gott her sind? Wollen wir uns das nicht lieber so denken: „Starker Helfer in der Not! – Himmel, Erde, Luft und Meere, sind erfüllt von deinem Ruhm; alles ist dein Eigentum.“ Das haben die Juden erkannt und verstanden – nicht zu Hause in Juda oder in Israel, sondern in der Fremde, im Exil: kein Stück Erde, das nicht Gott gehörte, kein Mensch, den er nicht sähe und liebt! Ich weiß nicht, wie viele Sternlein stehen – keine Ahnung – ich brauch es auch nicht zu wissen. Gott übrigens auch nicht. – Der HERR hat seinen Erstwohnsitz ja nicht im Sillicon Valley, wo Daten gesammelt werden ohne Ende. Google will natürlich wissen, wie viele Sterne stehen und wie viele Wolken gehen – Google will alles wissen und die Welt beherrschen. Ist okay, denn dadurch wissen wir auch das ein oder andere.

Aber das Entscheidende ist was anderes: Gott will, dass ihm keines fehle, - kein Menschenkind - und sei es noch so klein und fühlt es sich noch so verloren. Die Wahrheit ist: Gott der HERR – ER oder auch SIE, - jedenfalls der einzig wahre Gott: „kennt auch dich und hat dich lieb“ – unsagbar lieb. Davon erzählt die Bibel, und beginnt damit auf Seite EINS mit den wunderbaren Worten, die ich noch einmal verlese – wenn auch nur in Teilen; die ganze Erzählung ist ja länger, aber die Leute, die die Predigttexte zuschneiden, meinten, das sei zu lang, das könne man nicht erfassen – und wahrscheinlich haben sie recht.

Aber schon die Teile daraus sind so wichtig, dass kein Mensch sie je vergessen sollte: Am Anfang, vielleicht muß es auch heißen: im Anfang – beides ist möglich: also: anfangs schuf Gott: Himmel und Erde. In Klammern: den Himmel zuerst. Sonst bleibt es finster auf der Erde, wenn der Himmel weg ist und der Vater im Himmel vergessen. Klammer zu.

Und es war Irrsal und Wirrsal, (Buber) ihr wißt schon: Tohu-wa-bohu – Chaos.

„Und Finsternis lag über dem Abgrund und der Sturmbraus Gottes tobte über dem Wasser“ (Begrich, Genesis). Gott sprach: Licht werde – Licht ward.

Und Gott sah das Licht, dass es schön ist.

Und Gott sprach: Wir wollen Menschen machen in unserem Bilde, als unsere Nachbildung. Und sie sollen sich kümmern um die Fische des Meeres und die Vögel des Himmels und das Vieh und um alle Kriechtiere, die auf Erden kriechen. Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn, männlich und weibllich schuf er sie. Gott segnete sie.

Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar, werdet zahlreich und erfüllet die Erde,

macht sie euch dienstbar und sorget für das Fischvolk im Meer und die Vögel im Himmel und alles Lebendige, das auf Erden sich regt.

Vollendet waren der Himmel und die Erde und ihr ganzes Heer.

Gott kam zum Ende am siebenten Tag mit der Arbeit, die er getan, und er ließ ab am siebenten Tag von all seinem Werk, das er gemacht. Gott segnete den siebten Tag und sonderte ihn aus, denn an ihm feierte ER von all seiner Arbeit, die machend Gott schuf.“

Liebe Gemeinde,

„Verstehen heißt, den Sinn von etwas zu erfassen.“ (Körtner) Versteht ihr, wie gut es Gott mit uns meint, wie schön er alles geschaffen hat. Und: Was unser Gott geschaffen hat, das will er auch erhalten, darüber will er früh uns spat, (326,3) mit seiner Güte walten“ – und wir alle, Bilder seiner Güte, dürfen ihm dabei helfen, dürfen mitmachen, dabei sein – leben mit IHM. ER wollte es so. Amen

Literatur: Christof Hardmeier, Konrad Ott, Naturethik und biblische Schöpfungserzählung. Ein diskurstheoretischer und narrativ-hermeneutischer Brückenschlag, Stuttgart 2015