Biographisches

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GUSTAV VON WANGENHEIM bei FACEBOOK

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Gustav von Wangenheim entstammt einer alten adligen Familie, wird nach dem Ersten Weltkrieg Mitglied der KPD und später der SED, entdeckt sein Interesse für das Agitprop-Theater und inszeniert in der Weimarer Republik rote Revuen und Massenspiele. Zudem spielt er in einigen der wichtigsten deutschen Stummfilmklassiker mit. Er ist Schriftsteller, Schauspieler und Regisseur, lebt nach 1945 in der DDR. Wie seine DEFA-Filme zeigen, erblickt Gustav von Wangenheim im Kommunismus die Lösung gesellschaftlicher Widersprüche.

Gustav von Wangenheim wird als Ingo Clemens Gustav Adolf Freiherr von Wangenheim am 18. Februar 1895 in Wiesbaden geboren. Sein Vater ist der Schauspieler Eduard von Winterstein, seine Mutter die Schauspielerin Minna Mengers. Seine Kindheit erlebt er in Berlin, besucht dort ein Gymnasium und geht während der Obersekunda (entspricht der 11. Klasse) ab. Danach beginnt er eine landwirtschaftliche Lehre. Nach seiner militärischen Ausbildung beim Kaiser-Alexander-Garde-Grenadier-Regiment Nr. 1 besucht er von 1912 bis 1914 die Max Reinhardt-Schauspielschule am Deutschen Theater. Kurz nach Beginn des Ersten Weltkrieges wird Gustav von Wangenheim eingezogen, dient als Soldat an der Westfront. 1915 wird er am Auge verletzt und danach ausgemustert. Zurück in Berlin steht er auf der Bühne des Deutschen Theaters, spielt 1916 am Burgtheater in Wien.

In Berlin schreibt Gustav von Wangenheim für die Zeitschrift "Die Aktion" erste Texte. Außerdem entstehen Dramen, wie "Der Mann Fjodor" (1917) und "Lausbub Franz" (1918). Die Berliner Kabarettszene unterstützt er mit Texte für das Kabarett "Schall und Rauch". Er engagiert sich politisch, wird nach der Novemberrevolution 1918 Mitglied im Rat der Geistesarbeiter und tritt der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) bei. Nach deren Spaltung 1922 wechselt er in die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD). Hier ist er im Bereich des proletarischen Laienspiels sehr aktiv. 1923 wird er Leiter des Zentralen Sprechchors der KPD. Er verfasst unter anderen den "Chor der Arbeit". Seine "Massenpantomime gegen den Krieg" wird verboten. 1924 gründet er die Arbeiterspieltruppe des Bundes der Kriegsopfer, tourt mit ihr durch Deutschland. Zahlreich sind seine Aktivitäten: er schreibt Agitprop-Stücke, inszeniert sie mit seinen verschiedenen Theatergruppen (Kollektiv Rote Schauspieler, Die Roten Blusen, Truppe 31) an Berliner Bühnen.

Bereits 1916 kommt Gustav von Wangenheim erstmals mit dem Film in Kontakt. Er debütiert in PASSIONELS TAGEBUCH (1916) unter der Regie von Louis Ralph vor der Kamera. Danach ist er in Filmen von Rudolf Biebrach, Otto Rippert sowie Lupu Pick zu sehen, spielt in einigen der wichtigsten deutschen Filmklassiker mit. Zweimal arbeitet er mit Regisseur Ernst Lubitsch zusammen, spielt in dessen erfolgreicher Komödie KOHLHIESELS TÖCHTER (1920) den gewitzten Paul Seppl, der die 'richtige' Liesl für sich erobern kann. In NOSFERATU (1922) von Friedrich Wilhelm Murnau verkörpert er den jungen Hutter, einen frisch verheirateten Angestellten einer Maklerfirma, der nach Rumänien reist und sich dort mit einem Vampir auseinandersetzen muss. In dem expressionistischen Meisterwerk SCHATTEN (1923) von Arthur Robison gibt er den Liebhaber der Ehefrau. Unterbrochen wird seine Filmarbeit immer wieder durch Arbeiten am Theater, Gustav von Wangenheim steht am Hoftheater Darmstadt, am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg und wiederholt am Deutschen Theater Berlin auf der Bühne. Erst Ende der 20er Jahre steht er unter der Regie von Fritz Lang wieder vor der Kamera, gibt den Flugzeug-Ingenieur Hans Windegger in dem Science-Fiction DIE FRAU IM MOND (1929).

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Januar 1933 verlässt der Künstler Deutschland, emigriert zunächst nach Paris, geht später nach Moskau. Hier leitet er bis 1935 das "Deutsche Theater Kolonne Links". Gemeinsam mit anderen deutschen Emigranten - Lotte Loebinger, Gregor Gog, Fritz Erpenbeck, Hedda Zinner, Heinrich Vogeler und dem jungen Konrad Wolf - dreht er nach einer Idee von Alfred Kurella den Film KÄMPFER (1936), die Geschichte des lange Zeit politisch passiven Arbeiters Fritz Lemke, der sich nach dem spektakulären Prozess gegen Georgi Dimitroff in Leipzig dem kommunistischen Widerstand gegen die Nationalsozialisten anschließt. Kurz nach der Uraufführung des Films verschwinden die ersten Beteiligten in den Stalinschen Lagern. Die "Säuberungen" hatten begonnen, in deren Folge auch Gustav von Wangenheim in die Mühlen des sowjetischen Geheimdienstes gerät. Einige Tage verbringt er im Gefängnis des Volkskommissariats für innere Angelegenheiten, passt sich danach dem stalinistischen Regime weitgehend an. 1940 nimmt Gustav von Wangenheim die sowjetische Staatsbürgerschaft an. Bis 1945 ist er schriftstellerisch tätig, lebt mit seiner Familie zeitweise in Kasan, Chistopol und Taschkent. Als Mitglied des Nationalkomitees Freies Deutschland verfasst er Texte für das Radio Freies Deutschland und spricht deutsche Sendungen des Senders Radio Moskau.

Im Sommer 1945 kehrt Gustav Wangenheim nach Deutschland in die sowjetisch besetzte Zone zurück. Als Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) leitet er für kurze Zeit das Theater am Schiffbauerdamm, später das Deutsche Theater. Hier arbeitet er als Regisseur, inszeniert Klassiker wie "Hamlet" von William Shakespeare und moderne Stücke wie "Stürmischer Lebensabend" von Leonid Rachmanow. An Mitte der 50er Jahre arbeitet er als Regisseur und Schauspieler am Theater in Altenburg, tritt zudem als Gast an der Volksbühne in Berlin auf. 1970 wird Gustav von Wangenheim Mitglied der Sektion Darstellende Künste der Akademie der Künste.

Die DEFA arbeitet seit 1948 mit dem Künstler als Regisseur und Drehbuchautor zusammen. Unter seiner Regie entsteht der historische Film UND WIEDER 48 (1948), einer der wenigen deutschen Spielfilme, die sich mit der Märzrevolution von 1848 auseinandersetzen. Hier nimmt eine Gruppe von Studenten als Statisten an einem Film über die Revolution 1848 teil; sie reflektieren über die Zeit vor 100 Jahren und mahnen den Regisseur im Film zur Wahrheit. Gustav von Wangenheim konzentriert sich auf die Geschichte des Studenten und Barrikadenkämpfers Gustav Adolf Schlöffel und verbindet die Zeiten 1848 / 1948 miteinander, um eine "unvollendete" Revolution abzuschließen. Der Film wird mit großem Aufwand produziert, unter anderem wurde das Innere der Frankfurter Paulskirche im Atelier nachgebaut. An den Kinokassen hat das Werk allerdings keinen Erfolg.

Mit dem pathetischen Werk DER AUFTRAG HÖGLERS (1950) ruft der Regisseur zur Wachsamkeit gegenüber Industriespionen des Westens auf. Im konkreten Fall geht es um die Luisenhütte und deren neues Verfahren der Stahlherstellung. Der Alteigentümer Högler will vom nunmehr volkeigenen Werk mittels Bestechung, Spionage und Verleumdung unbedingt die Neuerung erhalten, wird aber entlarvt. In GEFÄHRLICHE FRACHT (1954) streiken westdeutsche Hafenarbeiter: Sie wollen keine Napalmbomben entladen. Der Film zeigt deutlich, wo der Platz der richtige Arbeiter ist. Der letzte DEFA-Film des Regisseurs wird eine Komödie: HEIMLICHE EHEN (1956) spielt im Milieu des ostdeutschen Bauwesens. Ein Chefarchitekt hintertreibt aus Eigennutz die Pläne für den Neuaufbau eines Dorfes. Erst eine junge Mitarbeiterin durchschaut das üble Spiel. Seine Filmkarriere beendet Gustav von Wangenheim Mitte der 50er Jahre mit Regie-Arbeiten für das Fernsehen.

1931 heiratet Gustav von Wangenheim die Schauspielerin und Schriftstellerin Inge von Wangenheim, geb. Franke. Hier gemeinsamer Sohn Friedel Freiherr von Wangenheim (geb. 1939) wird später als Autor, Dramaturg, Regisseur und Schauspieler arbeiten. Der Künstler stirbt am 05. August 1975 in Berlin.